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Koers

On-line version ISSN 2304-8557
Print version ISSN 0023-270X

Koers (Online) vol.85 n.1 Pretoria  2020

http://dx.doi.org/10.19108/KOERS.85.1.2501 

ORIGINAL RESEARCH

 

...Glaubensgerechtigkeit"1 Calvins Begründung der Reformation2

 

"... Justification by faith" Calvin's grounds for the Reformation

 

 

Victor Ε. d'AssonvilleI, II

IUniversity of the Free State (UFS), Faculty of Theology and Religion Department of Historical and Constructive Theology. https://orcid.org/0000-0002-6070-4603
IIRTS Heidelberg

Correspondence

 

 


OPSOMMING

Op die jong ouderdom van 30 skryf Calvyn in 1539 n brief aan Kardinaal Jacopo Sadoletus, beroemde geleerde en verteenwoordiger van die Roomse Kerk. Hierdie brief van Calvyn wat hy op die dringende smeekversoek van die stadsraad van Geneve geskryf het, het hom baie roem laat inoes. Calvyn weerlê met hierdie skrywe Sadoletus se aanklagte teen die Reformasie en tree daarmee in die bresse vir die stad wat hom die jaar vantevore verban het. Daarby begrond hy die kern van die Reformasie en die noodsaak daarvoor. Sedertdien staan hierdie brief nie slegs bekend as een van die mees befaamde apologetiese geskrifte van die Reformasie nie maar is dit selfs beskryf as die mees kragtige en teologies suksesvolle verdediging daarvan in die sestiende eeu. In hierdie artikel word Calvyn se verklaring van die kern van die Reformasie bespreek teen die agtergrond van sy verhouding met Martin Luther en beide van hulle se respek vir mekaar. Volgens Calvyn is die hart van die Reformasie die regverdigmaking deur genade alleen. Dit gaan ten volle oor geloof in Christus alleen. Vir sy verklaring van die regverdigmaking deur genaue en geloof calleen beroep Calvyn hom konsekwent op die Skrif as Woord van God. In hierdie Christologiese benadering - waarvoor Luther volgens n getuie waardering uitgespreek het - staan Calvyn en Luther dig bymekaar

Kernbegrippe: Luther, Calvyn, Sadoletus, regverdigmaking /regverdiging, Reformasie, genade alleen, geloofalleen


ABSTRACT

In 1539, at the young age of 30, Calvin wrote a letter to Cardinal Jacopo Sadoleto, an eminent scholar and proponent of the Roman Church, in answer to the latters letter earlier that year to Geneva. This answer of Calvin, as requested urgently by the City of Geneva, is very well-known for the way how Calvin refuted Sadoleto's arguments against the Reformation and thus took up the cudgels for the very city that banned him only a year before. This Calvin did by justifying the quintessence of and necessity for the Reformation. Since then, this text has not only been known as one of the most famous defences of the principles of the Reformation of the sixteenth century but even has been described as probably the most powerful and systematic successful apologetic Reformation writing of that age as such. In this article, Calvin's analysis of the core of the Reformation is discussed against the background of his relation to Martin Luther and their appreciation for each other. According to Calvin the "heart" of the Reformation was justification by grace alone. Ultimately it is only a matter of faith in Christ alone. For his explanation of justification by grace and faith alone, Calvin refers consistently to Scripture as the Word of God. In this Christological approach - for which Luther according to a witness expressed his appreciation - Calvin and Luther are very close to each other indeed

Key concepts:Luther, Calvin, Sadoleto, justification, Reformation, grace alone, faith alone


 

 

Dieses Dogma, die Rechtfertigung aus Glauben, ist das Herzstück der Religion".3 (Calvin, im Brief an Kardinal Sadolet, 1539, CStA 1.2,374,20ff.)

 

1. Der französische Luther 4

Jean Calvin, le Luther frangais" (Calvin, der französische Luther") - so lautet ein Artikelhinweis auf der Titelseite des französischen Sprachmagazins écoute" zum Calvinjahr, 2009 (Anon., 2009). Aber stimmt das? Es ist eine Kuriosität und gerade im deutschsprachigen Raum wahrscheinlich nur wenigen bekannt, dass Calvin als junger, unbekannter Mann mal als Lutherien", also als Lutheraner, bezeichnet wurde.

Dass dies gerade im deutschsprachigen Raum ungewöhnlich erscheint, liegt nicht zuletzt unter anderem an Stefan Zweigs berüchtigter Verleumdung Calvins in seinem Buch Castellio gegen Calvin oder ein Gewissen gegen die Gewalt aus dem Jahre 1936 (Zweig, 1985), in dem er mit einer phantasievollen aber leider nicht der Wahrheit entsprechenden Schilderung die Rolle Calvins in Genf ganz irreführend und negativ wiedergab. Mit seiner Darstellung von Vorgängen im 16. Jahrhundert verfälschte Zweig sie und instrumentalisierte die von ihm absichtlich anders dargestellte Geschichte in Genf, um Hitler und den Nationalsozialismus anzugreifen, ohne sich um die historischen Fakten der Genfer Geschichte zu scheren. Dieses Thema wird an anderen Stellen gründlich behandelt (vgl. Selderhuis, 2008b:3; sowie Freudenberg 2008:490-498). Freudenberg schreibt hierzu: Die Wirkung von Zweigs Zerrbild Calvins reicht bis in die Gegenwart, fand gelegentlich Eingang in Schulbücher und beeinflusste bisweilen das Calvinbild populärer Nachschlagewerke". (2008:496.)

Aber zurück zu Calvin selbst. Die Tatsache, dass der junge Calvin in Frankreich nicht nur als Lutherien" bezeichnet wurde - was damals als Schimpfwort galt -, sondern dass er gerade als ein solcher Lutheraner" sogar nur knapp seiner Verhaftung und möglicherweise dem Tod entkam, als er Ende 1533 übereilt aus seiner französischen Heimat fliehen musste, spricht für sich.

So wie Luther die Bezeichnung Lutheraner" abgelehnt hätte, hat Calvin seinerseits die Bezeichnung Calvinist" abgelehnt. Denn für beide Reformatoren ging es nicht um irgendeine neue Lehre", die sie vertraten, sondern um den gleichen Glauben der Alten Kirche, ja des Neuen Testaments, der Heiligen Schrift selbst. Als der 26jährige Calvin nicht zuletzt im Jahre 1536 auf der Frankfurter Buchmesse wegen des Erfolgs seiner Institutio als Apologet der Reformation schlagartig bekannt wurde, trat er dementsprechend nicht für irgendeine Splittergruppe der heranwachsenden reformatorischen Bewegung ein, auch nicht für einen alternativen Zweig einer französischen oder gar regional begrenzten Reformbewegung in Kirche und Staat - im Gegenteil, Calvin trat ein für das reformatorische Anliegen an sich, für die Reformation schlechthin. Ohne Wenn und Aber setzte er sich für die führenden Reformatoren ein, von denen der 26 Jahre ältere Luther, damals doppelt so alt wie sein französischer Nachfolger, selbstverständlich der bei weitem bekannteste und berühmteste war.

Nicht mit Wittenberg oder mit Zürich legte sich der französische Exilant an, als er 1535 die Erstausgabe seiner Institutio in Basel verfasste, sondern mit Rom. Gegenüber Roms Behauptung, dass die reformatorische Lehre neu sei, betonte Calvin gleichsam stellvertretend für die gesamte Reformation, einschließlich Wittenberg, das Gegenteil. Dem französischen König Franz I. schreibt er in seinem Widmungsbrief, der der Institutio vorangestellt ist, die reformatorische doctrina - d.h. das reformatorische Bekenntnis, der reformatorische Glaube - sei nur denjenigen neu, denen auch Christus und sein Evangelium neu seien (vgl. d'Assonville, 2001:77). Wer wisse, dass die Predigt des Paulus (OS III,15,13-15)5 durchaus alt sei, der werde bei den Evangelischen nichts Neues entdecken ... (OS III,15,9-13). Laut Calvin würden die römischen Gegner Gott aufs schwerste beleidigen, dessen Wort es nicht verdiene, der Neuheit beschuldigt zu werden, wenn sie die reformatorische doctrina neu nennen würden.

Am 14. Oktober 1539 ließ Luther dann über den Straßburger Reformator Martin Bucer (1491-1551), mit dem Calvin zu dieser Zeit zusammenarbeitete, Calvin grüßen. Er habe gerade mit Genugtuung die zweite Ausgabe der Institutio Calvins, die gerade noch im Jahre 1539 von Calvin überarbeitet worden war, und dessen Brief an Sadolet gelesen. Sechs Jahre später sollte Crodelius Calvin an diese Wertschätzung Luthers erinnern (CO 12,40).6Auch schätzte Luther Calvins Schrift an Kaiser Karl V. vom Jahre 1543 (CO 6,435-534)7 sehr und urteilte freundlich über die lateinische Übersetzung von Calvins kleinem Traktat zum Abendmahl" (Selderhuis, 2008c:59).8

Dass die Kirchengeschichte manchmal spannender als ein Krimi sein kann, zeigt uns allerdings ein - auch für Calvin - unerwartetes Vorgehen. Der einzige uns bekannte Brief, den Calvin an den Wittenberger Professor schrieb, wurde nämlich nie zugestellt. Den genauen Grund kann man nach so vielen Jahrhunderten natürlich nicht mehr ganz vollziehen, aber anscheinend wagte es Melanchthon, dem als gemeinsamem Freund der beiden der Brief anvertraut wurde, nicht, Luther den Brief zu übergeben. Aus diesem Brief Calvins - der erhalten ist - an den großen deutschen Reformator an dessen Lebensabend gerichtet - geht Calvins großer Respekt vor Luther hervor. Calvin nennt Luther den bedeutendstenHirten und Lehrer der christlichen Kirche, seinen hochgeschätzten Vater (CO 12,7).9 Auch nach Luthers Tod im Jahre 1546 sollte das günstige Urteil Calvins über Luthers historische Bedeutung nicht ab-, sondern eher noch zunehmen. Dies nimmt nicht weg, dass es natürlich auch Unterschiede zwischen beiden gab, sowohl persönlicher als auch theologischer Art. Dabei ist zu bemerken, dass die Person Calvins unter seinen kirchlichen Erben, den Reformierten, einen bescheidenen Platz hat; er stellt kein vergleichbares ,Heiligenbild' dar, wie Luther innerhalb der lutherischen Theologie. Andererseits wurde Calvins Theologie für die reformierte Tradition normativer als Luthers Lehre für die lutherische Tradition." (Selderhuis, 2008b:5.)

Vor dem oben genannten Hintergrund erschien vor 38 Jahren, im Jahre 1982, in den Niederlanden ein Band mit Blick auf 1983. Das Jahr 1983, genau fünfhundert Jahre nach der Geburt Martin Luthers, stand weltweit im Zeichen der Reformation und besonders Luthers. In diesem Band zum Lutherjahr lesen wir, dass es ... für den reformierten Protestantismus alle Gründe gibt, zu gedenken, was Luther bedeutete, zuerst für die Kirche und die Christenheit, aber auch für unsere Kultur und Gesellschaft" (Graafland et al., 1982:5). Dies ist bemerkenswert, denn einem Reformationsforscher fällt eines auf: In Deutschland wird häufig den Eindruck vermittelt, dass die Gegensätze - manchmal auch Scheingegensätze -zwischen Luther und Calvin bzw. zwischen Nachfolgern Luthers und Nachfolgern Calvins auf Kosten ihrer Gemeinsamkeiten hervorgehoben oder sogar überbetont werden. Im Ausland treten aber gerade jene Gegensätze zurück und oft werden eher Gemeinsamkeiten zwischen den beiden wichtigen Reformatoren unterstrichen. Die Rede ist eher von komplementären oder sich ergänzenden Rollen als von Polen, die einander gegenüberstehen. Darüber hinaus bemerkte der bekannte Calvinforscher Willem van't Spijker, der übrigens auch eine vielbeachtete Lutherbiographie geschrieben hat (Van't Spijker, 1983) und vor allem zuerst als Bucerforscher bekannt geworden ist, zum Verhältnis zwischen Luther und Calvin: "More than once in the past this theme has intrigued investigators and quite often Calvin has been regarded as a faithful pupil of Luther" (Van't Spijker, 1986:83).

Aber seien wir mal, etwa fünfhundert Jahre nach dem berühmten Thesenanschlag, ehrlich. Wie gerne hätten wir uns nicht eine Begegnung zwischen Luther und Calvin gewünscht? War der eine doch maßgeblich für die Entwicklung der deutschen Sprache, vor allem der Schriftsprache, verantwortlich, der andere für das Französische, das bis dahin noch nie auf einem solchen wissenschaftlichen Niveau benutzt worden war. Ihre unterschiedlichen Rollen in der Durchsetzung, Festigung und Verbreitung der Reformation stehen außer Zweifel. Aber außer einem oder mehreren Treffen würden viele sich natürlich einen ausführlichen Briefwechsel zwischen den beiden wünschen, gerade zu bestimmten Themen und Fragen, mit denen heute gerungen wird. Wie sehr manche sich danach sehnen, zeigt eine deutschsprachige Neuerscheinung eines Buches mit erfundenen Briefen zwischen dem Wittenberger und dem Genfer Theologen (Rödding, 2009).

Bei einem Vergleich der Ansätze und des Hauptanliegens der beiden Theologen stellt sich heraus, dass unterschiedliche Akzente nicht selten eher auf andersartigen Hintergründen - Luther im Osten, Calvin im Westen usw. (vgl. Weber, 1962:258)10 - und damit zusammenhängenden, unterschiedlichen Fragestellungen beruhen als auf nicht miteinander zu vereinbarenden Auffassungen in den Hauptpunkten des reformatorischen Ansatzes. Man kann aufgrund einer Analyse der Geschichte zu dem Schluss kommen, dass vielmehr manche Schüler bzw. Nachfolger beider Reformatoren sich theologisch auseinandergelebt haben, als dass die theologischen Unterschiede zwischen beiden von gegensätzlicher, unüberbrückbarer Natur gewesen wären.

Es verwundert nicht, dass besonders zum Reformationsjubiläum im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte viele zusätzliche Studien zu diesem Thema erschienen sind. Exemplarisch ist auf der einen Seite eine Sammlung von Artikeln von Heiko A. Oberman (Oberman, 2003). Auf der anderen Seite steht Thomas Kaufmann (2008:149-150), der zwar weniger tief auf Calvin eingeht, aber dafür umso mehr besonders die (ältere) deutsche Sekundärliteratur beachtet (vgl. dazu auch Balke, 1982; Van't Spijker, 1983 sowie Kaufmann, 2016).11 Wilhelm Neusers umfassende Monografie zum jungen Calvin stellt im letzten Jahrzehnt eine wichtige Etappe zum Thema Luther und Calvin, gerade in Calvins Frühzeit dar (Neuser, 2009:86ff). Günter Frank wiederum behandelt einen Aspekt, bei dem er nicht nur Luther und Calvin vergleicht, sondern auch Melanchthon heranzieht (Frank, 2012). Auch Christian Lehmann behandelt das Verhältnis der beiden Reformatoren im Blick auf das Lutherjahr 2017. Er geht auf wichtige theologische Themen ein und stellt Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede dar, allerdings beschränkt, was den Umfang angeht, was nachvollziehbar ist, da es sich bei seinem Beitrag um einen Vortrag handelt (Lehmann, 2016). Was aktuelle Veröffentlichungen angeht, ist die Studie von Christian Link vom Jahre 2016, Calvin. Reformator Westeuropas, die in der Reihe Studienhefte zur Reformationsgeschichte und zu Martin Luther" beim Luther-Verlag erschienen ist, am ausführlichsten (Link, 2016). Auf eine ausgewogene Art behandelt Link Calvin historisch und theologisch, wobei dem Verhältnis zu Luther, historisch wie theologisch, nicht zuletzt wegen des Anliegens der Reihe, besondere Aufmerksamkeit zukommt (Beese et al. 2016:9).

Obgleich die oben angeführte Einleitung relativ umfangreich ist, ist das Ziel dieses Beitrages ein anderes. Der Fokus ist nicht, ähnliche oder die erwähnten Studien zu wiederholen bzw. alte Fragestellungen hinsichtlich theologischer bzw. historischer Vergleiche zwischen Luther und Calvin neu zu bearbeiten, sondern lediglich, einen zentralen Aspekt des gemeinsamen reformatorischen Ansatzes zu beleuchten, nämlich die Rechtfertigungslehre, und zwar wie Calvin sie in seinem berühmten Schreiben an Kardinal Sadolet erläutert und begründet.

 

2. Die Verteidigung der Reformation

Im Jahre 1924 erschien in München ein kleines, unscheinbares Büchlein. Vielleicht wurde es in den turbulenten 20er Jahren in Deutschland nicht sonderlich zur Kenntnis genommen; trotzdem war es durchaus bedeutender, als man vermuten könnte. Denn zusammen mit drei anderen berühmten Schriften der Reformationszeit12 enthielt diese unscheinbare Publikation (Simon, Hg., 1924) auch die deutsche Übersetzung einer apologetischen (Verteidigungs-)Schrift, die im 16. Jahrhundert große Wellen geschlagen hatte. Es handelt sich um Calvins Antwort an den römisch-katholischen Kardinal Sadolet aus dem Jahre 1539.

Bekanntlich vollendete Calvin in Straßburg, gerade einmal 30jährig, am 1. September 1539 diese berühmte Antwort, in der er freilich Genf, aber vor allem die Integrität der gesamten Reformation verteidigte - eine Apologie der Reformation, die ohne Vergleich in der an großen Texten nicht gerade armen theologischen Literatur der Zeit" steht, ... ein rhetorisches Meisterwerk" (Link in CStA 1.2,337). Calvin trat für den gesamten reformatorischen Ansatz ein. Daher der überaus treffende Titel der späteren deutschen Übersetzung dieser Schrift aus dem Jahre 1954: Mußte Reformation sein?" (Vgl. Gloede, 2009.)

Ein Glaubensflüchtling wurde also zum Anwalt der gesamten Reformation. Ein französischer Vertriebener verteidigte das Anliegen Luthers, der aus Wittenberg hervorgegangenen ebenso wie der oberdeutschen einschließlich der schweizerischen Reformation, ja das Anliegen der Reformation schlechthin. Dieser Verteidigungsschrift der Reformation aus der Feder Calvins kommt eine Schlüsselstelle in der Reformationsgeschichte" zu (Gloede, 2009:3). Sogar in der römisch-katholischen Geschichtsschreibung wird sie als eine der glänzendsten Streitschriften" Calvins eingeschätzt, die je aus seiner Feder geflossen" seien (Kampfschulte, 1869:354). Diese Schrift war es, welche auch Luthers Herz für den welschen Rivalen erwärmte." Damals konnte Melanchthon nach Straßburg melden, dass Calvin" gerade in Wittenberg hoch in Gnaden stehe" (Kampfschulte, 1869:355). Kampschulte urteilt: ... hatte Sadolet die dogmatischen Differenzen kaum oberflächlich berührt, so stellt Calvin diese in den Vordergrund und entwickelt in der Verteidigung des neuen Glaubenssystems eine Kraft der Rede, eine Gewandtheit der Beweisführung und eine Fülle der Gedanken, welche die rhetorischen, sentimentalen, oft auch inhaltsarmen Phrasen des Gegners um so mehr in ihrer Schwäche zeigen." (Kampfschulte, 1869:355.)

Aber wie kam es dazu, dass Calvin sich zu dieser Schrift genötigt sah? Im Verlauf der Kirchengeschichte sind kirchenpolitische und persönliche Ambitionen immer wieder im theologischen Mäntelchen dahergekommen. So auch 1539, als der Kurienkardinal und Bischof von Carpentras, Sadolet, beauftragt wurde, einen Brief an den Rat und die Bürger der Stadt Genf zu schreiben. Man wollte von Seiten Roms unbedingt verlorenes Terrain zurückgewinnen (Link in CStA 1.2,338). Die alte Religion" sollte in Genf wieder etabliert werden (Link in CStA 1.2,338). Schon 1518 war dieser Kardinal Jacopo Sadoleto (1477-1547) als wichtigster Korrespondenzpartner der päpstlichen Diplomaten in Deutschland" am Prozess gegen Luther beteiligt gewesen (Link in CStA 1.2,339). Im Rahmen verschiedener Maßnahmen zur Eindämmung der Reformation (Opitz, 2009:69) stellte sein Brief, der infolge einer von Papst Paul III. einberufenen bischöflichen Konferenz in Lyon geschrieben wurde, ein wichtiges Glied in der Kette jener Maßnahmen dar.

Am 26. März 1539 war es soweit (CO 21,245). Sadolets Schreiben - ein Meisterstück geschickter Diplomatie" (Gaberel in Link, CStA 1.2,339) - wurde dem Rat der Stadt Genf überreicht. Aber der Genfer Rat wusste nichts damit anzufangen. Die Verlegenheit war groß, die Stadt völlig überfordert. Nicht nur war der Brief in elegantem Rhetorikerlatein" (Opitz, 2009:69) verfasst - was bestimmte Ansprüche an die Fähigkeiten des Rates darstellte, während bekanntlich der beste Latinist Genfs und einer der besten seiner Zeit, Calvin, im Jahr zuvor der Stadt verwiesen worden war - sondern auch der Inhalt war dermaßen eloquent versöhnlich-werbend" (Opitz, 2009:69) und theologisch gewandt, dass es niemand auf Anhieb wagte, darauf einzugehen. Das Dilemma für die erst seit 1536 offiziell reformatorische Stadt war offensichtlich. Ein Keil sollte zwischen die unterschiedlichen Unterstützer der Reformation eingetrieben werden. Teile und herrsche" lautete die Devise Roms. Da Sadolets Schreiben ebenso eindringlich wie verständlich formuliert war, dürften viele diesem Lockruf damals wie heute zunächst willig Gehör geschenkt haben." (Gloede, 2009:4.)

Sehr geschickt verstand es Sadolet, bei dem Rat und den Bürgern Genfs die Reformation in Frage zu stellen. Sein Ziel war klar: Genf sollte wieder in den Schoß Roms zurückkehren. Dazu lud sein Schreiben ein. Ausgerechnet das Herzstück der Religion" (CStA 1.2,374,25; OS I,469), das reformatorische sola fide, d.h. die Rechtfertigung durch den Glauben allein, wurde von Sadolet verzerrt präsentiert. Den reformatorischen Ansatz griff er frontal an, indem er die Schriftlehre und ihren Bibelbezug umdeutete. Nach Sadolet reiche Glaube allein nicht (OS I,446,12-18). Ja, die Lehre von der Rechtfertigung ,allein aus Glauben' sei nicht nur geeignet, alle Sittlichkeit zu untergraben und, wie die Erfahrung zeigt, Aufruhr zu stiften, sie sei sogar bewußt zu diesem Zwecke konzipiert worden." (Vgl. Link in CStA 1.2,341 und besonders OS I,452,11ff.)

Schließlich griff die Stadt Bern ein. Bern hatte durchaus Interesse - theologisch wie auch politisch - an einer gründlichen Widerlegung Sadolets. Immerhin war Bern nicht nur eine der ersten eidgenössischen Städte, die die Reformation durchgeführt hatten, sondern auch eine Art Schutzmacht Genfs. Und obwohl die Stadt nicht unbedingt für ihre Liebe gegenüber Calvin bekannt war, entschied man, aus begründetem Zweifel an der Fähigkeit der Genfer Pastoren" (vgl. Link in CStA 1.2,341),13 Calvin zu überreden, den Brief Sadolets zu beantworten. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich der aus Genf vertriebene Calvin in Straßburg auf.

Im August 1539 erhielt Calvin die Bitte Berns. Zuerst zögernd, entschied sich Calvin letztendlich, trotz persönlicher Gefühle der Anfrage nachzukommen. Auch von Freunden wurde er dazu gedrängt (vgl. d'Assonville sr., 1988). Innerhalb von nur sechs Tagen verfasste er seine fundierte, aber auch knappe und differenziert-artikulierte Antwort (Responsio"), für die er außergewöhnliche Anerkennung und Achtung erlangen sollte.

Calvins Antwort an Sadolet ist ein Musterbeispiel dafür, wie völlig gesamtprotestantisch Calvin zeitlebens gedacht und gehandelt hat" (Gloede, 2009:4).14 Mehrere theologisch wichtige und für die Kirche höchst bedeutsame Themen werden in dem Brief angesprochen. Obwohl sich Calvin in seiner Erwiderung auf nahezu alle Einwände und Unterstellungen Sadolets" einlässt (Link in CStA 1.2,342), spitzt er das Ganze auf einen einzigen Punkt zu. In den Worten Gloedes: Mußte Reformation sein?" (2009:4) Oder, wie Link den springenden Punkt charakterisiert: Warum brauchen wir eine Erneuerung der Kirche?" (Link in CStA 1.2,342.) Mit Berufung auf die Apostelbriefe sowie die Propheten gilt für Calvin, dass sie, die Apostel und die Propheten, dem Wort immer den ersten Platz" einräumten (CStA 1.2,366,12f; OS I,465).15

 

3. Wort und Geist: Grundlage für die Reformation

Gerade da, wo vom Wort Gottes die Rede ist, legt Calvin bezüglich der Irrlehre seinen Finger direkt in die Wunde. Wie ein erfahrener Facharzt liefert er in seiner Antwort an Sadolet eine sorgfältige Diagnose, mit der er den Irrtum präzise identifiziert. Für die folgenden Jahrhunderte und über die theologische Problematik des Reformationszeitalters hinaus sollte diese Diagnose gleichsam als Maßstab für alles theologische Denken, für die Theologie an sich, Geltung haben. Zuerst beruft er sich auf einen wichtigen Kirchenvater der Alten Kirche, um klarzustellen, wie der Heilige Geist sich an sein Wort, die Schrift, gebunden hat: Recht hat ... Chrysostomos mit seiner Mahnung, all die abzuweisen, die uns unter dem Vorwand des Geistes von der einfachen Verkündigung des Evangeliums abbringen wollen. Denn der Geist ist uns nicht zur Offenbarung neuer Unterweisung (doctrina) verheißen, sondern um die Wahrheit des Evangeliums den Herzen der Menschen einzuprägen" (CStA 1.2,366,16-20; OS I,465).16

Daraufhin fährt Calvin fort, indem er sich auf die aktuelle Situation seiner Zeit, besonders auf die Gegner der Reformation und ihren gemeinsamen falschen Ansatz bezieht: Wie notw endig diese Mahnung gewesen ist, erfahren wir in der gegenwärtigen Lage. Von zwei Parteien werden wir bekämpft, die, so sieht es aus, voneinander so verschieden sind, wie nur möglich. Denn was hat die des Papstes - äußerlich gesehen - mit der der Wiedertäufer gemeinsam? Und doch ... führen beide die gleiche Hauptwaffe, mit der sie uns mürbe machen. Indem sie nämlich bis zum Überdruß den Geist im Munde führen, haben sie kein anderes Ziel, als Gottes Wort zu unterdrücken und zu Grabe zu tragen und stattdessen für ihre eigenen Lügengebilde Platz zu schaffen. Und Ihr, Sadolet, müßt nun gleich beim ersten Ansturm das Schandmal büßen, das Ihr dem Heiligen Geist durch die Trennung vom Wort eingebrannt habt ..." (CStA 1.2,366,20-29; OS I,465.)17

Es handelt sich also um den Vorrang des Wortes in seinem Verhältnis zum Heiligen Geist. Allerdings ist dieser Ansatz der Reformation, der heute als das sola Scriptura bekannt ist, nicht bloß eine Frage der Autorität des Wortes Gottes, sondern betrifft auch die Pneumatologie im tiefsten Sinne. Ein Sich-Berufen auf den Heiligen Geist ohne die Schrift sei ein Abweichen vom Evangelium. Laut Calvin begehen beide Gegner der Reformation, Rom und die Wiedertäufer, den gleichen Fehler: Sie trennen das Wort vom Heiligen Geist. Nach Ansicht Roms habe die Kirche, also Rom, zu entscheiden, was der Geist wolle oder nicht, statt alles am Wort zu messen. Die Wiedertäufer wiederum meinten, im Menschen, also subjektiv, zu fühlen, zu hören, zu wissen, was der Geist wolle, statt alles am Wort selbst zu prüfen. In beiden Fällen werde das Wort nicht nur vernachlässigt oder abgewertet, sondern unterdrückt und zu Grabe getragen.

Die Auseinandersetzung zwischen Sadolet, dem formidablen Diplomaten Roms, und Calvin, dem noch jungen Flüchtlingspfarrer, hatte nicht nur lokalpolitische Bedeutung. Calvins Plädoyer für die Integrität und die Notwendigkeit der gesamten Reformation hatte ungeahnte Wirkung, nicht nur im protestantischen Bereich, sondern über die Grenzen der Reformation hinaus. Seine Responsio sollte für die Kirchengeschichte der folgenden Jahrhunderte prägend sein. Bis heute gilt sie zu Recht als eine der brillantesten Verteidigungsschriften der Reformation überhaupt." (Strohm, 2009:57.)

Mit diesem Schreiben bekannte sich Calvin zum Anliegen der Reformation im Ganzen, um der Heiligen Schrift als Wort Gottes den absoluten Vorrang zuzuerkennen. Es geht um das reformatorische Prinzip. Das heißt, wenn es um die Frage der Wahrheit bzw. des Wahrheitsanspruches geht, spricht Christus immer das letzte Wort. Das Wort Christi, die Heilige Schrift, ist die oberste Autorität - dazu bekannten sich die Reformatoren in ihrem Werk, in ihrer Verkündigung, in ihrer Theologie und in ihren reformatorischen Bekenntnissen.

 

4. Sola fide" - Die Rechtfertigungslehre

Im Gegensatz zur anspruchsvollen Theologie der Reformation sei die römische Theologie, sprich die Theologie Sadolets und seiner Kollegen, eine allzu gemütliche Theologie", wie Calvin in seinem Brief an den Kardinal sagt. Der Grund dafür sei, dass fast alle Vertreter Roms niemals durch die Schule ernsthafter Gewissenskämpfe gegangen sind" (CStA 1.2,399,21-23; OS I,478).18

Auf diesem Hintergrund präsentiert Calvin in jenem Schreiben die Drei- bzw. Vierteilung der wahren Kirche: Drei Stücke sind es, die die Unversehrtheit der Kirche ausmachen und worauf sie sich vornehmlich stützt: Bekenntnis (doctrina), Kirchenordnung (disciplina) und Sakramente. An vierter Stelle kommen noch die äußeren Formen hinzu, die das Volk zu gottesdienstlichen Handlungen anleiten." (CStA 1.2,370,10-12; OS I,467.)19 Im Rahmen dieser Unterscheidung erläutert Calvin dann zuerst die doctrina (das Bekenntnis - CStA 1.2,372,10ff; OS I,467ff), bevor er zu den Sakramenten" (CStA 1.2,382,23ff; OS I,472ff)20 und zur Ordnung" übergeht (CStA 1.2,390,22ff; OS I,474ff).

Beim ersten Stück (doctrina) werden von Calvin wiederum drei zentrale reformatorische Dogmen hinsichtlich ihrer jeweiligen Unterschiede zur Lehre Roms dargestellt: (1) Rechtfertigung aus Glauben" (CStA 1.2,374,18-378,20; OS I,469-470), (2) Glauben und Werke" (CStA 1.2,378,21-380,17; OS I,470f.)21 und (3) Erwählung aus Gnade" (CStA 1.2,380,18-382,21; OS I,471f.).

Obwohl seine Wahl, als erstes die Rechtfertigungslehre zu behandeln, von Calvin selbst an Sadolets Schreiben verknüpft wird (CStA 1.2,374,20f.; OS I,469),22 hat diese Reihenfolge auch programmatische Bedeutung. Er unterstreicht nämlich dadurch, dass er in seiner systematischen Behandlung der doctrina dem Lehrstück Rechtfertigungslehre" in seiner Antwort an Sadolet Vorrang beimisst. Er hält die Rechtfertigung an sich für wichtig, denn ... darüber führen wir ja auch den ersten und härtesten Streit mit Euch." (CStA 1.2,374,21f.; OS I,469.)23

Bekanntlich war das sola fide"24 die prägnante Antwort der Reformation auf eine zentrale Frage des 16. Jahrhunderts, die Frage nach der Rechtfertigung. In dieser Hinsicht waren sich Luther und Calvin einig. Die Rechtfertigungslehre war für Calvins Theologie nicht weniger entscheidend als für Martin Luthers" (Pitkin, 2009:284-295,290). Schließlich prägte sie nicht nur die Darstellung der anderen theologischen Themen in der Institutio, sondern auch seine exegetischen und apologetischen Werke, zum Beispiel seinen Kommentar zum Römerbrief (1540) und seine Antwort an Sadolet (1539).

In seinem Brief an Genf schrieb Sadolet zur Rechtfertigungslehre: Wir erlangen dies Gut unserer ... Seligkeit allein durch den Glauben an Gott und Jesus Christus. Wenn ich sage ,allein durch Glaube', dann verstehe ich es nicht so wie diese Erfinder von Neuerungen es tun, dass dabei die Liebe und alle übrigen Christenpflichten ausgeschlossen wären ..." (CO 5,374; OS I,446.)25

Als Antwort darauf reagiert Calvin dann unmissverständlich und ganz klar: Die Rechtfertigungslehre ist die summa der Religion." (CStA 1.2,374,25; OS I,469.)26 Ähnlich wie bei Luther geht es für Calvin dementsprechend um den Glauben allein als entscheidende Hauptsache der Religion".

Zum Beginn seiner Erläuterung und Begründung der reformatorischen Rechtfertigungslehre erwähnt Calvin den Katechismus,27 ... den ich selbst für die Genfer zusammengestellt habe, während ich noch bei ihnen als Pastor tätig war." (CStA 1.2,376,3f.; OS I,469.) Drei Worte würden ... genügen", sagt Calvin, um Euch, besiegt, verstummen zu lassen. Gleichwohl will ich Euch hier in Kürze darlegen", wie wir über die Rechtfertigungslehre reden (CStA 1.2,376,5f.; OS I,469). 28

In seiner Darstellung der reformatorischen Rechtfertigungslehre unterscheidet Calvin zwischen zwei Hauptpunkten: (1) Die Selbsterkenntnis des Menschen (CStA 1.2,376,7ff.; OS I,469) und (2) die Barmherzigkeit Gottes (CStA 1.2,376,13ff.; OS I,469). Der Mensch solle mit seiner Selbsterkenntnis den Anfang machen, führt Calvin aus, und das nicht leichtfertig oder oberflächlich, vielmehr soll er sich mit seinem Gewissen vor Gottes Richterstuhl stellen." (CStA 1.2,376,7f.; OS I,469.)29 Und wenn er dann vom Zustand seiner Ungerechtigkeit sattsam überführt ist, soll er zugleich auch die Strenge des Urteilspruchs bedenken, der über alle Sünder ergeht. So wirft er sich, durch sein Elend aus seiner Fassung gebracht und zu Boden geschlagen, vor Gott und demütigt sich: Er läßt alles Selbstvertrauen fahren und seufzt, als wäre er dem äußersten Verderben preisgegeben." (CStA 1.2, 376,8-12; OS I,469.)30 Daraufhin erwähnt er die Barmherzigkeit Gottes als einzigen Ankergrund seines Heils. Diese Barmherzigkeit wird uns in Christus dargeboten". In ihm sei alles erfüllt, was zu unserem Heil gehört". (CStA 1.2, 376,12-15; OS I,469.)31

Calvins Beschreibung der Rechtfertigung, in der das sola fide in seiner Verbindung mit dem sola gratia dargestellt wird, ist in seiner Klarheit, Einfachheit und Dichte besonders deutlich und kann in seiner Verständlichkeit kaum überboten werden: Weil also alle Sterblichen vor Gott als Sünder verloren sind, nennen wir Christus unsere einzige Gerechtigkeit: Er hat mit seinem Gehorsam unsere Übertretungen getilgt, mit seinem Opfer Gottes Zorn besänftigt, mit seinem Blut unsere Flecken abgewaschen, durch sein Kreuz unseren Fluch aufgehoben, mit seinem Tod für uns alles beglichen. Auf diese Weise also, lehren wir, wird in Christus der Mensch mit Gott, dem Vater versöhnt: nicht durch irgendein Verdienst, nicht durch die Würdigkeit seiner Werke, sondern allein durch unverdiente Gnade.32 Weil wir aber im Glauben Christus umfassen und gleichsam in Gemeinschaft mit ihm eintreten, nennen wir diesen Glauben33 nach der Weise der Schrift Glaubensgerechtigkeit (fidei iustitiam)."34(CStA 1.2, 376,15-23; OS 1,469.)

Hinsichtlich Sadolets Vorwurf, dass die Reformatoren für die Werke keinen Raum lassen würden, betont Calvin nochmal: Wenn es um die Rechtfertigung des Menschen geht, bestreiten wir ihnen auch nur ein Haar breit Geltung." (CStA 1.2, 376,25-378,1; OS I,469.)35Dass die Schrift überall unüberhörbar davon redet, dass alle verloren seien, wird immer wieder von Calvin hervorgehoben (CStA 1.2,378,1f.; OS I,469).36 Keine Hoffnung bleibt uns übrig als allein Gottes Güte, die uns die Sünde vergibt und Gerechtigkeit zuspricht: so lehrt uns dieselbe Schrift." (CStA 1.2,378,2-4; OS I,469f.)37 In dieser Besprechung der reformatorischen Rechtfertigungslehre wendet Calvin an, was er früher zum Verhältnis zwischen dem Heiligen Geist und dem Wort Gottes ausgesprochen hat (CStA 1.2,366,1629; OS I,465).38 Die Autorität, mit der er Sadolet jedes Mal widerlegt, ist die Heilige Schrift. Seine ganze Darbietung der reformatorischen Rechtfertigungslehre wird mit der Schrift begründet. Die Gerechtigkeit bezieht es nämlich nicht auf die eigene Gerechtigkeit des Menschen, sondern auf Gottes Güte, die den Sünder gegen sein Verdienst annimmt und ihm Gerechtigkeit verschafft, und zwar dadurch, dass sie ihm seine Ungerechtigkeit nicht anrechnet. Darin, sage ich, besteht unsere Gerechtigkeit, wie sie Paulus beschreibt, dass Gott uns mit sich selbst in Christus versöhnt hat." (CStA 1.2,378,9-12; OS I,470.)39

Die Frage, wie wir dieser Gerechtigkeit teilhaftig werden, wird daraufhin von Calvin angesprochen: Dass wir durch den Glauben dieses Gutes teilhaftig werden, zeigt [Paulus] schließlich, indem er feststellt, dass der Dienst dieser Versöhnung im Evangelium beschlossen liegt." (CStA 1.2,378,13-15; OS I,470.) Letztendlich handelt es sich um die Verknüpfung Verheißung und Glaube: Paulus verbindet den Begriff Glaube, sooft er ihm das Vermögen unserer Rechtfertigung zuschreibt, alsbald mit der unverdienten Verheißung göttlicher Zuwendung, hält ihn aber von jeder Beziehung auf die Werke fern." (CStA 1.2,378,16-20; OS I,470.) Seine Erläuterung sowie Begründung der evangelischen Rechtfertigungslehre bringt Calvin schließlich zu dem Schluss, indem er sich auf Paulus, Röm 11,6,40 bezieht: ... si fide, ergo non operibus. Rursum si operibus: ergo non fide." (CStA 1.2,378,19-20; OS I,470.)41

Wie das sola fide in seiner Verknüpfung mit dem sola gratia dann genau mit der Frage der guten Werke zusammenhängt, behandelt Calvin im nächsten Abschnitt noch eindringender. Er verbietet sich den Vorwurf Sadolets, dass man unter dem Vorwand Christi Gnade gute Werke ..." verwerfen würde (CStA 1.2,378,21f.; OS I,470).42 Dafür beruft Calvin sich - mit Hinweis auf Sadolets Vorwurf (OS 1,446) - direkt auf Titus 2,1114, besonders auf Vers 14:43 Wenn man also genau verstehen will, wie unzertrennlich Glaube und Werke zusammengehören, muß man auf Christus sehen, der uns, wie der Apostel lehrt,44 zur Gerechtigkeit und Heiligung gegeben ist" (CStA 1.2,380,2-4; OS I,470).45Calvins christologischer Ansatz sticht sehr eindeutig in seiner Schlussfolgerung hervor. Wo immer sich also diese Glaubensgerechtigkeit findet, die wir als ein Geschenk der Gnade verkündigen, dort ist auch Christus. Wo aber Christus ist, da ist der Geist der Heiligung, der die Herzen zu neuem Leben umschafft." (CStA 1.2,380,4-7; OS I,470.)46

Noch einmal geht Calvin auf Sadolets Argumente und dessen angeführte Schriftstellen gegen die reformatorische Rechtfertigungslehre ein, besonders auf die Behauptung, die evangelische Lehre lasse fleischlichen Begierden die Zügel schießen" (CStA 1.2,380,14-15; OS I,471)47 und kommt, nach deren Widerlegung und bevor er zum Thema Erwählung aus Gnade hinübergeht, zu dem Schluss: Wenn Ihr sie [die angeführten Schriftstellen] also dazu mißbrauchen wollt, die Rechtfertigung aus Gnaden niederzureißen, dann habt Ihr Euch verrechnet." (CStA 1.2,380,16-17; OS 1,471.)

 

5. Fazit

Aus den oben von Calvin eingesetzten Argumenten gegen Sadolets und Roms Verständnis der Rechtfertigungslehre und der damit in Zusammenhang stehenden Darlegung der evangelischen Rechtfertigungslehre stellt sich heraus, dass Calvin - wie Luther - eine Gerechtigkeit nur aus Gnade, der man nur durch den Glauben teilhaftig wird, vertritt. Die Gerechtigkeit vor Gott kommt aus dem Glauben an Jesus Christus. Es kommt auf Gottes Gnade allein an. Was der Mensch tut, auch das Beste, auch das Hervorragendste, kann nicht das Geringste zu seiner ewigen Seligkeit beitragen. Dennoch ist Gehorsam gegenüber Gott und seinem Wort notwendig, allerdings nicht als Leistung, um etwas zu erwerben, sondern als daraus hervorgehende Dankbarkeit Gott gegenüber - für seine allesumfassende Gnade in Christus.48

Dadurch, dass Calvin sich mit den von Sadolet angeführten Schriftstellen auseinandersetzt und sie entsprechend der ganzen Heiligen Schrift auslegt, überzeugt seine Widerlegung Sadolets sowohl in seiner Differenziertheit als auch in seiner gründlichen exegetischen und systematischen Behandlung des Themas. Bei Calvin bildet Christus den Schwerpunkt der Rechtfertigungslehre oder, anders formuliert, sein Ansatz ist christologisch. Die Frage zum Verhältnis Gerechtigkeit, Erlösung, Rechtfertigung, Wiedergeburt und Heiligung wird theologisch und pneumatologisch von Christus her verstanden und gelöst: Darin ... besteht unsere Gerechtigkeit, ... dass Gott uns mit sich selbst in Christus versöhnt hat" (CStA 1.2,378,9-12; OS I,470).49

 

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Correspondence:
vieddas.3@gmail.com

DATES: Published: 14 December 2020

 

 

1 Vgl. CStA 1.2, 376,23; OS 1,469: "... vocamus fidei iustitiam."
2 Hierdie artikel is gebaseer op 'n voordrag gelewer by 'n kongres ter herdenking van 500 jare Reformasie, 27 tot 31 Oktober 2017, in Thüringen, in die ooste van Duitsland. 'n Oorspronk-like weergawe is gepubliseer in Kaiser (2018:144-163) wat met die toestemming van die redakteur (Kaiser) verder verwerk en aangepas is vir publikasie in KOERS.
3 Vgl. CStA 1.2,374,20ff.: Über
die Rechtfertigung aus Glauben" führen wir den ersten und härtesten Streit" mit der Kirche Roms. Gehört sie etwa zu jenen spitzfindigen und unnützen Fragen? Nein, wenn ihre Erkenntnis verschwindet, ist Christi Herrlichkeit erloschen, die Religion abgeschafft, die Kirche zerstört und die Hoffnung auf unser Heil völlig gescheitert."
Text auch in OS 1,469. "Fidei iustificationem primo loco attingis: de qua nobis primum et acerri-mum certamen vobiscum est. Estne illa spinosa et inutilis quaestio? At, sublata eius cognitione, et Christi gloria exstincta est, et abolita religio, ut ecclesia destructa, et spes salutis penitus eversa. Dogma ergo istud, quod in religione summum erat, dicimus fuisse a vobis nefarie ex hominum memoria deletum."
Grundsätzlich dient für diesen Beitrag der lateinische Text der Calvin-Studienausgabe als Grundlage. Im Allgemeinen wird von der deutschen Übersetzung jener Ausgabe Gebrauch gemacht, außer wenn ich anderer Meinung bzgl. einer zutreffenden Übersetzung bin.
4 Bei diesem Teil zu Luther werden zum Teil Fragestellungen angeschnitten, die auch früher von mir behandelt wurden. Dabei greife ich bei diesem Beitrag auf frühere noch nicht veröffentlichte Forschung von mir zurück und mache auch gelegentlich von eigenen früheren eingesetzten Formulierungen - allerdings nur in populär- bzw. nicht-wissenschaftlichem Rahmen
- Gebrauch. Bei letztgenannten handelt es sich um eine Serie von kurzen Artikeln von mir, die in den Jahren 2009 und 2010 aus Anlass des Calvinjahres 2009 in der populären Zeitschrift Bekennende Kirche erschienen sind.
5 Iesum Christum mortuum propter peccata nostra, resurexisse propter iustificationem nostram (Rom. 4)
- OS III,15,13-15.
6 CO 12,40.
7 Supplex exhortatio ad invictissimum Caesarem Carolum quintum et ... Principes ..., CO 6,435- 534.
8 Petit traicte de la saincte Cene de nostre Seigneur Iesus Christ (1541), CO 5, 429-460. Lateinische Übersetzung, 1545: Libellus de coena Domini.
9 CO 12,7: Excellentissimo christianae ecclesiae pastori [doctori] D. [doctori] Martino Luthero patri mihi plurimum observando ...
10 Weber, 1962:358: Die
deutsche Reformation [hatte] im ganzen einen nomistischen Gegner ... Die westliche Reformation hatte es dagegen weithin mit einem libertinistischen Gegner zu tun
11 Trotz seiner Beherrschung der Lutherforschung fällt bei Kaufmann (2016) in seiner Behandlung von Calvin in dieser Monographie auf, dass Kaufmann wichtige Sekundärliteratur nur beschränkt bzw. gar nicht behandelt. Deswegen sind seine Ausführungen zu Calvin nicht auf dem neuesten Stand. Ein Beispiel ist seine Behandlung der Rektoratsrede von Nicolas Cop.
In diesem Bereich gibt es entscheidende neue Forschungserkenntnisse, die fehlen und die er hätte beachten sollen, z.B. u.a. Neuser (2009).
12 (1) Widmung des Unterrichts in der christlichen Religion an Franz I. 1536; (2) Der Genfer Katechismus 1542/1545; (3) Mahnschreiben an Karl V. 1543.
13 Vgl. besonders OS I,452,11ff., vgl. Link in CStA 1.2,341.
14 Vgl. Gloede, 2009:4 - Wie schon oben erwähnt ließ unter anderen aufgrund dieses Schreibens kein Geringerer als Luther schon im Oktober 1539 Calvin seine Wertschätzung ausrichten. Sechs Jahre später erinnert Crodelius Calvin nochmals an diese Hochachtung von seiten des Wittenberger Reformators; CO 12,40.
15 CStA 1.2,366,12f; OS I,465: primum semper locum verbo assignant.
16 CStA 1.2,366,16-20; OS I,465: Bene ergo Chrysostomos, qui repudiandos monet omnes, qui sub praetextu spiritus sit promissus non ad novam doctrinam revelandum, sed imprimendam hominum animis evangelii veritatem.
17 CStA 1.2,366,20-29; OS I,465: Ac nos re ipsa hodie experimus, quam fuerit necessaria admon-itio. A duabus sectis oppugnamur: quae inter se plurimum videntur habere discriminis. Quid enim papae simile in speciem cum Anabaptistis? Et tamen, idem utrique praecipuum telum habent, qui nos fatigant. Spiritum enim quum fastuose iactant, non alio certe tendunt, quam ut oppresso sepultoque Dei verbo locum faciant suis ipsorum mendaciis. Tuque, Sadolete, in primo limine impingendo, dedisti poenas eius contumeliae, quam spiritui sancto inussisti, quum separasti ipsum a verbo ...
18 CStA 1.2,399,21-23; OS I,478: Hinc animadverto, Sadoleto, nimis otiosam te habere theologiam: qualis est fere eorum omnium qui seriis conscientiae certaminibus nunquam fuerunt exercitati. Zum Theologiebegriff Calvins, vgl. d'Assonville (2012).
19 CStA 1.2,370,10-12; OS I,467: Quum tribus partibus constet ac fulciatur potissimum ecclesiae incolumitas, doctrina, disciplina, et sacramentis; quarto loco accedant caeremoniae, quae pop-ulum in pietatis officiis exerceant.
Link (vgl. CStA 1.2,371,13ff.) übersetzt
doctrina" mit Lehre" und disciplina" mit Verfassung". Aufgrund einer früheren Analyse des Begriffes doctrina" bei Calvin wären Glaubensbekenntnis" bzw. Kirchenordnung" als Wiedergaben der Begriffe doctrina" bzw. disciplina" meines Erachtens an dieser Stelle zutreffender. Vgl. d'Assonville (2001).
20 Ab CStA 1.2,382,23ff; OS I,472ff.
Die Reihenfolge der Behandlung der Hauptstücke von Calvin entspricht nicht seiner Auflistung am Anfang, CStA 1.2,370,10-12; OS I,467. Das Thema
Sakramente" wird nämlich zuerst behandelt, dann die Kirchenordnung".
21 CStA 1.2,378,21-380,17; OS I,470f.
22 CStA 1.2,374,20f.; OS I,469: Fidei iustificationem primo loco attingis ...
23 CStA 1.2,374,21f.; OS I,469: ... de qua nobis primum et acerrimum certamen vobiscum est.
24
Durch den Glauben allein" oder allein aus Glauben" bzw. allein durch den Glauben" - vgl. Luthers Übersetzung von Röm 3,28.
25 CO 5,374; OS I,446: Assequimur porro bonum hoc nostrae perpetuae universaeque salutis, fide in Deum sola et in Iesum Christum. Quum dico fide sola, non ita intelligo, quemadmodum isti novarum rerum repertores intelligunt, ut seclusa caritate, et caeteris christianae mentis officiis...
Vgl. CStA 1.2,375, Anm. 21:
Wir erlangen dies Gut unserer ... Seligkeit allein durch den Glauben an Got und Jesus Christus. Wenn ich sage ,allein durch Glaube', dann verstehe ich es nicht so wie diese Erfinder von Neuerungen e stun, dass dabei die Liebe und alle übrigen Christenpflichten ausgeschlossen wären ..."
26 CStA 1.2,374,25; OS I,469.
Summa" kann übersetzt warden als das Herzstück" oder die Hauptsache".
27 Hierzu erläutert Link in CStA 1.2,377, Anm. 22:
Calvin bezieht sich auf eine wichtige Vorstufe des Genfer Katechismus, den im Zusammenhang mit dem Reformationsprogramm der Genfer Prediger (1537) erarbeiteten Auszug aus der ersten Insitutio (1536), auf den die Bürgerschaft laut Magistratsbeschluß vom Juli 1537 vereidigt werden sollte: CO 5,313-362."
28 CStA 1.2,376,5f.; OS I,469. ... tribus verbis victus obmutesceres. Breviter tamen hic tibi expe-diam, quo modo et de re loquamur.
29 CStA 1.2,376,7f.; OS I,469: Primum, iubemus hominem a sui recognitione incipere, et illa quidem non levi nec defunctoria, sed ut conscientiam coram Dei tribunali suam sistat: ...
30 CStA 1.2, 376,8-12; OS I,469: ... et quum suae inquitatis satis convictus fuerit, simul iudicii illius severitatem reputet, quod in omnes peccatores edicitur: ita miseria sua confusus ac perculsus, coram Deo posternatur, et humilietur: abiecta omni sui fiducia tanquam ultimo exitio perditus ingemiscat.
31 CStA 1.2, 376,12-15; OS I,469: Tum unicum salutis portum esse ostendimus in Dei misericordia, quae nobis in Christo exhibetur: quia omnes salutis nostrae partes in eo sunt adimpletae.
32 Das sola gratia der Reformation.
33 Das sola fide der Reformation.
34 CStA 1.2, 376,15-23; OS I,469: Quum ergo universi mortales perditi sunt coram Deo pecca-tores, dicimus Christum unicam esse iustitiam: quandoquidem obedientia sua transgressiones nostras abolevit, sacrificio iram Dei placavit, sanguine maculas abstersit, cruce maledictionem nostram sustinuit, morte pro nobis satisfecit. In hunc ergo modum dicimus hominem Deo patri in Christo reconciliari, nullo suo merito, nulla operum dignatione, sed gratuita dementia. Quum autem fide amplectamur Christum, et veluti in eius communionem veniamus, hanc, secundum scripturae morem, vocamus fidei iustitiam.
35 CStA 1.2, 376,25-378,1; OS I,469: Certe in homine iustificando negamus vel pilum unum valere.
36 CStA 1.2,378,1f.; OS I,469: Ubique enim scriptura vociferatur omnes esse perditos, et sua quem-que conscientia graviter accusat.
37 CStA 1.2,378,2-4; OS I,469f. Nihil spei reliquum esse docet eadem scriptura, nisi in sola Dei bonitate, qua peccata nobis ignoscuntur, iustitia imputatur.
38 CStA 1.2,366,16-29; OS I,465. Vgl. Punkt 3 oben (Wort und Geist: Grundlage für die Reformation).
39 CStA 1.2,378,9-12; OS I,470. Vgl. 2. Kor. 5,19. Zum Verständnis der Versöhnungslehre Calvins vgl. d'Assonville (2017).
40 Röm 11,6: Ist's aber aus Gnaden, so ist's nicht aus Verdienst der Werke, sonst würde Gnade nicht Gnade sein. Ist's aber aus Verdienst der Werke, so ist die Gnade nichts, sonst wäre Verdienst nicht Verdienst." Vulgata:
Si autem gratia, iam non ex operibus: alioquin gratia iam non est gratia.
41 CStA 1.2,378,19-20; OS I,470: ... wenn aus Glauben, dann nicht aus den Werken, und umgekehrt: Wenn aus den Werken, dann nicht aus Glauben.
42 CStA 1.2,378,21f.; OS I,470: Atqui iniuria fit Christo, si praetextu gratiae eius repudiantur bona opera: quum venerit, ut redderit populum Deo acceptabilem, sectatorem bonorum operum.
43 Titus 2 11Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen 12und erzieht uns, dass wir absagen dem gottlosen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben 13und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands, Jesus Christus, 14der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken. Vulgata: Titus 2 11apparuit enim gratia Dei salutaris omnibus hominibus 12erudiens nos ut abnegantes impietatem et saecularia desideria sobrie et iuste et pie vivamus in hoc saeculo 13expectantes beatam spem et adventum gloriae magni Dei et salvatoris nostri Iesu Christi 14qui dedit semet ipsum pro nobis ut nos redimieret ab omni iniquitate et mundaret sibi populum acceptabilem sectatorem bonorum operum.
44 Gemeint ist hier 1Kor 1,30: Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der für uns zur Weisheit wurde durch Gott und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, ...
45 CStA 1.2,380,2-4; OS I,470: Proinde si trite intelligere libet, quam sint res individuae, fides et opera, in Christum intuere: qui, et docet apostolus, in iustitiam et sanctificationem datus nobis est.
46 CStA 1.2,380,4-7; OS I,470: Ubi ergo cunque ista quam gratuitam praedicamus fidei iustitia est, illic est Christus. Ubi Christus, illic Spiritus sanctificationis: qui animam in vitae novitatem rege-neret.
47 CStA 1.2,380,14-15; OS I,471: ... non est, quod frena carnis libidinibus laxari nostra doctrina conqueraris.
48 Schon am 4. September 1517 formuliert Luther einen ähnlichen Ansatz auf dialektische Art mit der These 40: Wir werden nicht dadurch gerecht, dass wir gerechte Handlungen vollbringen, sondern nachdem wir gerecht geworden sind, vollbringen wir gerechte Handlungen. (Luther, 1959:358.)
49 CStA 1.2,378,9-12; OS I,470: Illa ... est nostra iustitia, ... quod Deus nos sibi in Christo reconcilia-vit.

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