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Fundamina

versión On-line ISSN 2411-7870
versión impresa ISSN 1021-545X

Fundamina (Pretoria) vol.20 no.1 Pretoria ene. 2014

 

Die durchschnittene Kehle

 

 

I. Fargnoli*, **

Professorin für Römisches Recht an der Universität Bern und an der Università degli Studi di Milano

 

 


ABSTRACT

The case of a slave whose throat was cut by a barber when a ball was thrown against his hand was widely discussed in antiquity. Ulp. D. 9.2.11 pr. describes the case and suggests three possible solutions, considering the last to be the best. Ulpian asserted that the barber was not liable, because the slave should have realised that it was not appropriate to be shaved close to a place where people were playing ball. However, the Basilics (B. 60.3.11) and especially the scholium of Hagiotheodorita argued that denying the barber's liability was not an equitable solution, because both the barber and the player who kicked the ball could have been liable. According to Hagiotheodorita, a better solution would be to hold at least the barber responsible. The joint liability of more than one person ("Quotenteilungsprinzip"), which several European legal systems adopt today in similar cases, was not permissible in Roman formulary procedure. However, Mela's solution in Ulp. D. 9.2.11 pr. seems to tend in that direction.


 

 

1. Der Barbierfall

Ein Besuch beim Barbier kann riskant sein. In einer Ulpianstelle in den Digesten ist bekanntlich ein Fall überliefert, in dem der Barbier den Tod seines Kunden verursacht:

D. 9.2.11 pr. (Ulp. 18 ad ed.) Item Mela scribit, si, cumpila quidam luderent, vehementius quis pila percussa in tonsoris manus eam deiecerit et sic servi, quem tonsor habebat, gula sitpraecisa adiecto cultello: in quocumque eorum culpa sit, eum lege Aquilia teneri. Proculus in tonsore esse culpam: et sane si ibi tondebat, ubi ex consuetudine ludebatur vel ubi transitus frequens erat, est quod ei imputetur: quamvis nec illud male dicatur, si in loco periculoso sellam habenti tonsori se quis commiserit, ipsum de se queri debere1. (Ebenso schreibt Mela: als mehrere Ball spielten, schleuderte einer (von ihnen) den Ball (etwas) heftiger und traf die Hände eines Barbiers, so dass einem Sklaven, den der Barbier (gerade) rasierte, die Kehle durch das angelegte Messer durchschnitten wurde; bei wem immer von ihnen die Schuld liege, der werde aus der lex Aquilia haften. Nach Proculus liege die Schuld bei dem Barbier: und gewiss, wenn er dort rasierte, wo gewohnheitsmässig gespielt wurde oder wo häufiger Verkehr war, kann man ihm etwas vorwerfen. Allerdings wird hiergegen auch nicht zu Unrecht eingewandt: wenn sich jemand einem Barbier anvertraue, der an einem gefährlichen Ort seinen Stuhl (aufgestellt) hat, der müsse sich dies selbst zuschreiben2.)

Ein Sklave lässt sich von einem Barbier rasieren (servi, quem tonsor habebat). Es war in Rom üblich, sich täglich rasieren zu lassen, und zwar nicht nur für Freie, sondern auch für Sklaven. Unter den Freien waren es besonders die Wohlhabenden, welche in den Friseursalon3 gingen oder oft sogar einen privaten Friseur hatten, der zu ihnen nach Hause kam. Solchen Luxus hatten die Sklaven dagegen nicht. Sie mussten sich meist von einfacheren Barbieren unter freiem Himmel, auf der Strasse oder, wie im obigen Fall, sogar in der Nähe von Spielveranstaltungen rasieren lassen. An jenen Plätzen war es den Barbieren möglich, ihre Kunden ganz einfach unter den Zuschauern zu finden4.

In der Regel sind die uns überlieferten Tatbestände in den Digestenstellen sehr allgemein gehalten. Angaben zu den Beteiligten sowie Beschreibungen sind meist sehr knapp. Dies ist der Grund, weshalb solche Stellen selten als unmittelbare Rechtsquellen für das Alltagsleben der römischen Gesellschaft herangezogen werden können. Anders dagegen im vorliegenden Text, welcher vielleicht gerade deswegen juristisch so interessant ist.

In unserem Fall wird in direkter Nähe der beiden Ball gespielt (cum pila quidam luderent). Gemäss Sachverhalt liegt die Vermutung nahe, dass es sich um ein Handballspiel handelte5. Die Bälle, welche dabei geworfen wurden, muss man sich klein und schwer vorstellen6.

Der Rasierte hatte in casu kein Glück. Mit dem Ball trifft ein Spieler die Hand des Barbiers in so heftiger und unglücklicher Art und Weise, dass das Rasiermesser an die Kehle des Sklaven gedrückt wird. Der Barbier schneidet so dem Sklaven die Kehle durch und tötet ihn (gula sit praecisa adiecto cultello). Es stellt sich nun die Frage, wer für diese, durch die Hand des Barbiers begangene, Tötung verklagt werden kann.

 

2. Die Falllösungen in der Klassik

Die Stelle nennt drei Lösungsansätze. Der erste ist jener des Juristen Fabius Mela (in quocumque eorum culpa sit, eum lege Aquilia teneri). Dieser kurze Satz ermöglicht zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten.

Es wurde vertreten, dass die Verwendung des Wortes vehementius anstelle von vehementer (allzu heftig) für eine Verantwortung des Ballspielers spreche7. Der Spieler haftet, weil er vehementius (ziemlich heftig) geschlagen hat, nämlich über die Grenzen des ihm zugewiesenen Platzes hinaus8. Fraglich ist, welche Partei den ausschlaggebenden Fehler gemacht hat und wen damit das überwiegende Verschulden am Zustandekommen des Unfalls traf"9. Es sei ein Gegensatz, dass der Ball allein keine Tötung verursachte und erst durch das Rasieren eine solche ermöglicht wurde: der Barbier setzte somit die alleinige Todesursache10.

Der zweite Lösungsansatz stammt vom frühklassischen Juristen Proculus, der ein Verschulden des Barbiers anerkennt und ihn aus der lex Aquilia haften lassen will. Er spricht sich also für eine alleinige Haftung des Barbiers aus. Der unbeabsichtigte Fehlwurf gehöre zu den Risiken des Spiels und sei aus diesem Grund dem Ballwerfer nicht vorzuwerfen11. Vorausgesetzt wird aber, dass der Barbier dort rasierte, wo die Spieler immer spielten (ubi ex consuetudine ludebatur) oder wo der Verkehr in jedem Fall dicht war (ubi transitus frequens erat). Der Barbier sei derjenige, der die Gefahr zu tragen habe.

Die dritte Lösung schliesslich, qualifiziert als anonyme dritte Meinung12, die Ulpian am Ende vertritt. Danach wird die Haftung des Barbiers gänzlich verneint. Der Grund hierfür liegt im eigenen Verschulden des Geschädigten13", der sich freiwillig in einer gefährlichen Zone rasieren liess. Der Verschuldensvorwurf gegenüber dem Sklaven lautet: de se queri debere. Dieses Verschulden schliesst jenes des Barbiers aus. Dem Herrn des Sklaven wird der Anspruch vollständig versagt. Es handelt sich hierbei um den Alles-oder-Nichts-Grundsatz14. Auf Grund der Selbstgefährdung seines Sklavens wird der Eigentümer keinen Ersatz gestützt auf die lex Aquilia erhalten15.

Zur Verstümmelung des bekannten sowie schwierigen Textes hat sich ein Teil der Literatur geäussert. Es sollte sich beim quamvis bis zum Ende um ein Glossem handeln16. Ein Glossator scholastischen Ursprungs solle hier etwas hinzugefügt haben17, da es auch um zwei Verschuldensträger geht, die Entscheidung aber keine Mithaftung oder Teilung der Haftung vorsieht. Dazu kommt, dass es sowohl an einer eindeutigen Stellungnahme Ulpians als auch an vorausgehenden Ausführungen, insbesondere der Erwähnung der Verantwortung des Ballspielers, fehlt18. Es wird behauptet, Mela habe als erster die Haftung des Ballwerfers erwähnt, seine Äusserung ist uns aber nicht überliefert worden19. Ebenfalls wurde vertreten, Ulpian habe die Frage des konkurrierenden Verschuldens bereits angeschnitten20.

Wenn man von Interpolationsbedenken absieht, die hier geäussert werden, aber nicht sehr überzeugend wirken21, sollte man sich schliesslich fragen: Welche Klage konnte nun also erhoben werden? Die drei Lösungen der Ulpianstelle sind schliesslich wie folgt zusammenzufassen:

Gemäss Proculus kann die actio legis Aquiliae gegen den Barbier erhoben werden. Die Möglichkeit der unmittelbaren Haftung aus der lex Aquilia besteht, weil die Herbeiführung des Schadens durch positives Handeln des Täters und mittelbare Einwirkung22 auf den Sklaven, der getötet wurde, erfolgte. Schaden, Kausalität und Rechtswidrigkeit sind kumulativ gegeben23. Wurde eine Haftung bejaht, so stellt sich weiter die Frage, wie die Schadensberechnung erfolgte. Erfüllte eine Handlung den Tatbestand des ersten Kapitels der lex Aquilia wie in Proculus' Lösung, so war der höchste Wert des getöteten Lebewesens im Jahr vor der Schädigung zu ersetzen.

Gemäss Anonymus kann auf Grund des eigenen Verschuldens des Sklaven keine Klage erhoben werden.

Melas Lösung bleibt dahingehend unklar.

 

3. Die Interpretation in den Basiliken

Die Basiliken enthalten eine gekürzte übersetzung der Ulpianstelle24:

B. 60.3.11 = D. 9.2.11 init.: Ulp. Έάν τις σφαιρίζων ρίψη την σφαίραν είς την χεΐρα του κουρέως καί λαρυγγοτοµηθη ό κουρευόµενος δούλος, ό κουρεύς ενέχεται, έάν έκούρευσεν, ένθα κατά συνήθειαν έγίνετο τό παίγνιον, η ένθα συνεχής ήν ή πάροδος. εί καί τά µάλιστα καλώς λέγει τις, έαυτω όφείλειν µέµφεσθαι τόν έαυτόν κουρεΐ καταπιστεύσαντα έν έπικινδύνω τόπω κουρεύοντι25. (Als jemand Ball spielte, schleuderte er den Ball auf die Hand des Barbiers und den Sklaven, der rasiert wurde, so dass die Kehle durchschnitten wurde; in diesem Fall haftet der Barbier, falls er dort rasierte, wo üblicherweise gespielt wurde oder wo häufig Verkehr war: Am richtigsten liegt wer sagt, dass der sich dies zuschreiben lassen müsse, der sich getraut hat, sich auf einem solch gefährlichen Platz rasieren zu lassen.)

Die Erwähnung der Juristen, denen die Meinungen zuzuschreiben sind, ist jedoch nicht mehr ersichtlich. Dazu kommt, dass Melas Meinung weggefallen ist. Proculus' Lösung ist hingegen geblieben: der Barbier haftet. Wie in den Digesten wird präzisiert, dass er nur dann haftet, wenn die Spieler immer dort gespielt haben, oder wenn der Verkehr in jedem Fall dicht war. Die Stelle der Basiliken äussert sich daher in Richtung einer notwendigen Prüfung des Verschuldens des Barbiers bezüglich dessen Wahl des Rasurortes. Danach wird, genau wie in den Digesten, gesagt, dass eine andere Lösung bestehe, welche nicht nur wie in den Digesten nec illud male, sondern als beste anzuerkennen sei: έαυτω όφείλειν µέµφεσθαι (am richtigsten liegt wer sagt). Es gilt das eigene Verschulden des Sklaven aufgrund der Tatsache anzuerkennen, dass sich dieser überhaupt auf den Rasierstuhl gesetzt hat, obwohl er die Gefährlichkeit einer solchen Rasur hätte erkennen sollen. Die Haftung des Barbiers sollte folglich ausgeschlossen werden.

 

4. Die Interpretation eines späteren Scholions

Zur Interpretation von Melas Lösung in den Digesten ist ein langes Scholion von Hagiotheodorita zu B. 60.3.11 überliefert, das viel hilfreicher als die Basilikenstelle selbst ist:

Του Άγιοθεοδωρ. Έχρήν αν, φησίν, έν δυσί τούτοις άνθρώποις πταίσασι, τω τε κουρεΐ τω έν τοιούτω τόπω κουρεύοντι, καί τω καταπιστεύσαντι έαυτόν τω τοιούτω κουρεΐ, χείρονος αίρέσεω είναι τόν κουρευθέντα καί άκούειν, δτι έαυτόν καταµέµφου, καί µηδέ άγωγήν έχειν κατά του κουρέως. άλλ' δµως χείρονος αίρέσεως ποιουµεν µάλλον τόν κουρέα, καί άγωγήν καθυπάγοµεν διά δύο αίτίας· µίαν µέν, ίνα µή έξ άποτελέσµατος τόν δεσπότηντουδούλου τόν µηδέν πταίσαντα, άλλά παντελή έχοντα αγνοιαν ζηµιώσωµεν, καί του διπλου άποστερήσωµεν, τόνδεκουρέα άνένοχον καταστήσωµεν, δπερ άδικον· έτέραν δέ, δτι, καν µή δουλος ήν, άλλ'έλεύθερος ό λαρυγγοτοµηθείς, δίκαιόν έστιν, έκ δύο κακών τήν του µείζονος κακου άναστολήν προτιµήσασθαι, παρ' δ τιµωρησαι τό ελατιον. εί γάρ µή τόν κουρέα τιµωρήσοµεν, πολλούς αν ό τοιουτος καί άλλους βλάψη τοιουτοτρόπως. ίδού τό µεΐζον κακόν, δπερ προανασταληναι εδει, καί µή ενα κουρέα βλάπτειν όχλον πολύν, καν ό όχλος άπρόςεκτος. δίκαιον ούν έστι, καί ούτω ποιουµεν καί τιµωρουµεν τόν κουρέα, καί ούχί τόν κουρευθέντα άποκλείοµεν· δπερ ήν, εί ωρίσθη κακου έλάττονος τιµωρία. τιµωρουµεν τοίνυν τόν κουρέα, καί πολλούς έλευθερουµεν µελλούσες βλάβης, συνεργεΐν εχοντες είς τουτο καί τόν κανόνα του γ'. τιτ. του β'. βιβ. τόν λέγοντα· δτε χωρίς βλάβης ούκ ένδέχεται γενέσθαι τι, τό ήττον άδικον έπιλεγόµεθα. έν δέ τω άνωτέρω θέµατι µόνον επταισεν ό παρελθών, ενθα οί άκοντίζοντες επαιζον· έκεΐνοι γάρ έν κάµπω άκοντίζοντες ούδέν πταίσµα έποίουν26. (Von Hagiotheodorita. Er (Ulpian) sagte: Unter diesen zwei schuldigen Menschen, nämlich dem Barbier und erst recht dem, der sich vom Barbier an diesem Ort hat rasieren lassen, sei der Rasierende schlechter gestellt, er hafte und man habe keine Klage gegen den Barbier. Zwar, wenn aus dem Ereignis, für das den Herrn des Sklaven keine Schuld trifft, und der völlig unbewusst geschädigt wurde, dieser doppelt geschädigt wird, da der Barbier von der Haftung befreit wäre, ist es aber ungerecht: anders wäre es, wenn nicht dem Sklaven, sondern einem Freien der Hals durchschnitten ist, dann wäre es gerecht, unter zwei Bösen das Verbot der schlimmeren Tat zu bevorzugen als die weniger schlimme Tat zu bestrafen. Tatsächlich wird er viele andere Personen auf diese Weise schädigen können, wenn wir den Barbier nicht bestrafen. Dies ist gerecht und so werden wir es machen: wir bestrafen den Barbier und schliessen den Rasierten nicht aus: Anders wäre es, wenn eine Strafe für die weniger schlimme Tat vorgesehen würde. Wir bestrafen also den Barbier und retten viele Personen vor einem Schaden, wenn wir die Regel vom 3. Titel im 2. Buch anwenden, die sagt: Wenn etwas ohne Schaden nicht gemacht werden kann, so wählen wir doch die am wenigsten ungerechte Lösung. Im vorigen Fall hat allein der Passant einen Fehler gemacht, der, wo Speerwerfer spielten, das Feld durchquerte: jene, die im Feld Speerwerfen spielten, sind hingegen nicht schuldig.)

Der byzantinische Scholiast befindet eine andere Lösung als jene der Digesten und der Basiliken für die beste.

Bereits von Anfang an spricht er eindeutig von zwei Subjekten: έν δυσι τούτοις άνθρώποις πταίσασι. Die lateinische Übersetzung lautet delinquentibus, aber ich glaube, dass das untechnische Verb πταίσω besser mit schuldig sein" zu übersetzen ist. Beide Beteiligte, und zwar der Barbier und der Sklave, sind schuldig. Genau wie in der Interpretation der Basiliken in B. 60.3.11 kommt eine eventuelle Schuld des Ballwerfers nicht in Betracht. Der Verstorbene ist in einer besonderen Stellung, da er als Sklave und erst recht nach seinem Tod den Barbier nicht verklagen kann. obwohl er das opfer ist, ist er auch schuldig, weil er sich an diesem gefährlichen ort rasieren lässt27. Das Verschulden des Sklaven ist also nicht auszuschliessen, aber dieses Verschulden soll jenes des Barbiers auch nicht ausschliessen. Anders als die Lösung, welche die Basiliken schlussendlich bevorzugen, soll der Barbier doch haften (τιµωρουµεν τοίνυν τόν κουρέα)28. Es wäre einfach weniger gerecht, den Barbier nicht zu bestrafen. Besonders bedeutsam ist, dass diese Lösung als die am wenigsten ungerechte Lösung (τό ήττον άδικον) qualifiziert wird. Den Ausdruck τό ήττον άδικον leitet der Scholiast aus einer von ihm zitierten Iavolenusstelle in D. 50.17.200 (Iav. 7 epist.) her29: Quotiens nihil sine captione investigari potest, eligendum est quod minimum habeat iniquitatis. Obwohl nicht feststellbar ist, aus welchem Kontext Iavolenus sich so geäussert hatte30, formuliert diese Stelle deutlich den Grundsatz des mildesten Mittels aus31.

Bei der Begründung der Lösung des „τό ήττον άδικον" ist Hagiotheodorita sehr ausführlich. Der erste Ansatzpunkt bezieht sich auf das Unbewusstsein des Herrn des getöteten Sklaven. Der Barbier solle im Interesse dieses Herrn, den kein Verschulden treffe, haften. Der Herr ist in der Tat gar nicht in den Fall involviert und deshalb wäre es völlig ungerecht, dass er den Schaden tragen muss. Die zweite Ausführung betrifft ein öffentliches Interesse. Der Barbier soll verantwortlich gemacht werden, weil er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dargestellt hat32. Der Barbier könnte viele andere Kunden an diesem Ort rasieren und auf dieselbe Weise verletzen oder töten. Auch aus diesem Grund muss man ihn schlussendlich bestrafen.

Wichtig für den Scholiasten ist schliesslich die Erwähnung des Speerwerferfalles, welcher sich etwas früher in den Digesten findet (έν δέ τω άνωτέρω θέµατι). Da ist der Sklave der einzig Schuldige. Deshalb soll dieser Fall anders als der Barbierfall gelöst werden und die Schädiger sollen nicht aus der lex Aquilia haften.

 

5. Vergleich mit dem Speerwerferfall

Der Fall, der von Hagiotheodorita mit dem Barbierfall verglichen wird, ist in Ulpians Kommentar zum Edikt als die unmittelbar vorhergehende Stelle des Barbierfalles von Otto Lenel rekonstruiert worden33:

D. 9.2.9.4 (Ulp. 18 ad ed.) Sed si per lusum iaculantibus servus fuerit occisus, Aquiliae locus est: sed si cum alii in campo iacularentur, servus per eum locum transierit, Aquilia cessat, quia non debuitper campum iaculatorium iter intempestive facere. qui tamen data opera in eum iaculatus est, utique Aquilia tenebitur. (Wird beim Spielen von Speerwerfern ein Sklave getötet, ist Raum für die Klage aus der lex Aquilia. Wenn jedoch, während andere sich auf dem Sportplatz im Speerwerfen übten, der Sklave über den Platz gelaufen ist, fällt die Aquilia weg, weil er über den Speerwurfplatz nicht zur Unzeit seinen Weg nehmen durfte. Wer freilich mutwillig nach ihm geworfen hat, wird allerdings aus der Aquilia haften.)

Ein Sklave wird durch einen Speerwurf getötet, weil er ein Spielfeld überquert, auf dem Speerwerfer üben. Man muss unterscheiden, ob der Speerwerfer fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Hat der Speerwerfer den Speer vorsätzlich auf den Sklaven geworfen (er wollte den Sklaven als Täter tatsächlich treffen), haftet er trotz eigenen Verschuldens des Sklaven aus der lex Aquilia. Handelt der Speerwerfer nur fahrlässig, so ist er von der Haftung befreit. Es wird vertreten, dass in einem derart gelagerten Fall von einer überwiegenden culpa des Sklaven ausgegangen werden kann34. Man hat sich dahingehend geäussert, dass ein Fahrlässigkeitsvorwurf gegenüber dem Speerwerfer von vornherein nicht in Betracht komme, da dieser eine erlaubte Tätigkeit auf dem Sportplatz ausübe35. Analog zur anonymen Meinung im Barbierfall, die Ulpian vertritt, entscheidet sich Ulpian hier für das Überwiegen des eigenen Verschuldens des Sklaven. Vielleicht hat Ulpian auf Grund des Speerwerferfalls die anonyme Meinung im Barbierfall vertreten. Die Stelle ist hier aber viel weniger problematisch als im Barbierfall, weil es lediglich um zwei Subjekte und um den Rahmen einer normalen Sportausübung geht, so dass die Entscheidung bezüglich der Selbstgefährdung des Sklaven unumstritten ist36. Der Spieler haftet also im Rahmen regelmässiger Sportausübung nicht für fahrlässige Schädigungen von Passanten und Zuschauern aus der lex Aquilia.

 

6. Schluss

Das eigene Verschulden des Sklaven, dessen Kehle durchgeschnitten wird, erlaubt zwei Schlussfolgerungen.

Da das römische Recht dem Rechtsdenken Europas etliche Rechtsfiguren, Maximen und Terminologien vermittelt hat37, sind die entsprechenden Erkenntnisse aus der jahrhundertelangen römischrechtlichen Erfahrung für das Verständnis und die methodische Handhabung des modernen Rechts unentbehrlich38. Die modernen Rechtsordnungen, wie man sie etwa in Österreich39, in der Schweiz40, in Deutschland41 und in Italien42 antrifft, lassen - anders als Anonymus - die Haftung des Schädigers nicht mehr vollständig entfallen. Vielmehr besteht die Möglichkeit, manchmal unmittelbar durch das Gesetz begründet, manchmal durch Lehre oder Rechtsprechung statuiert, das Quotenteilungsprinzip anzuwenden. Dieses Prinzip ist eine moderne dogmatische Kategorie, die sich erst im 18. Jahrhundert aus dem naturrechtlichen Gedanken Christian Wolffs43, der sog. Kulpakompensation, entwickelt hat44. Aufgrund des Haftungsumfanges wird der Schaden aufgeteilt, manchmal verhältnismässig, manchmal zu gleichen Teilen.

Vom Barbierfall und von der vielfältigen Diskussion über dessen Lösung kann heute noch hergeleitet werden, dass die Lösung der Frage bezüglich des eigenen Verschuldens des Geschädigten in einer besonders pragmatischen Weise betrachtet werden soll. Wie wäre es z.B., wenn es dem Sklaven aus bestimmten Gründen, etwa weil es sich bei ihm um einen Blinden oder Fremden handelte, nicht möglich war, die Gefährlichkeit des Ortes zu erkennen45? In diesem Fall wäre die anonyme Lösung nicht gerecht und sicher nicht die beste. Die römischen Juristen distanzierten sich von jeglicher Art der Abstraktion und der Theorie. Auch heute sollte jeweils anhand der konkreten Umstände im Einzelfall entschieden werden, ob, und wenn ja, in welchem Umfang Ersatz zu leisten ist. Die Richterentscheidung soll stets vom konkreten Fall abhängig gemacht werden, denn erst mit Blick auf den Einzelfall kann beurteilt werden, ob und inwieweit der Täter auf Grund des eigenen Verschuldens des Geschädigten keiner oder nicht der ganzen Haftung unterliegen soll. Τό ήττον άδικον, so sagt Hagioteodorita. Der Blick auf den Einzelfall sollte es auch heute ermöglichen, dass, wenn auch nicht die ideale, so doch mindestens die am wenigsten ungerecht erscheinende Lösung gefunden werden kann.

Gleichzeitig soll das moderne Recht neue Perspektiven anbieten, indem es auch erlaubt, einen tieferen Einblick in das römische Recht zu gewinnen46. Die Römer haben das Quotenteilungsprinzip nicht gekannt und nicht anwenden können. Klar ist, dass die anonyme Meinung betreffend den Barbierfall sowie die Lösung des Speerwerferfalles bei gegebener Fahrlässigkeit des Sklaven das Ausschlussprinzip vorsah. Demgegenüber stellt das Quotenteilungsprinzip sicherlich eine Fortentwicklung dar.

Auf Grund des heutigen Quotenteilungsprinzips kann man auf den Satz der Ulpianstelle in quocumque eorum culpa sit zurückkommen47. Daraus ist keine bestimmte Entscheidung herzuleiten. Mela spricht weder von einer Haftung des Ballwerfers noch vom Ausschluss der Haftung des Täters, sondern vielmehr von dessen Verschulden und von der Notwendigkeit, den Schaden aufgrund des Verschuldens zu tragen. Der Kausalitätsverlauf wird nicht erwähnt, weshalb die Frage nach dem Verursacher des Todes irrelevant ist. Den Kern der Frage bildet die Tatsache, dass eine Mithaftung im Rahmen des römischen Formularprozesses schon allein dann denkbar ist, wenn man an die Haftung des Barbiers und des Ballspielers und nicht an jene des Sklaven denkt. Dem Herrn des Sklaven stand die Möglichkeit offen, eine Klage auf Schadenersatz sowohl gegen den Barbier als auch gegen den Ballspieler zu erheben. Beide sollten solidarisch haften. Hochproblematisch ist jedoch, das eventuelle Verschulden des Sklaven praktisch im Rahmen einer kumulativen Klagenkonkurrenz48 zu berücksichtigen. Der Sklave ist nicht Täter, sondern Opfer. Der römische Richter durfte den Beklagten alternativ verurteilen oder freisprechen. Weitere Möglichkeiten ergaben sich aus der römischen Formel der actio legis Aquilia49 nicht.

Zur Interpretation von Melas Satz muss man sich m.E. zwingend auch die Frage stellen, in welchem Verhältnis Melas und Proculus' Meinung zueinander stehen. Es wurde vertreten, Mela habe Proculus' Lösung nicht befürwortet50 oder Proculus habe Mela korrigiert.51 Sicher ist jedenfalls, dass sich die beiden nicht einig waren. Weiter ist m.E. fraglich, welche Zeitspanne die Aussagen der beiden trennt. Es ist plausibel, dass Mela ein Vorgänger Proculus' war, auch denkbar ist jedoch, dass sie Zeitgenossen waren. Über Mela sind uns leider nur wenige Informationen bekannt. Es wurde sogar behauptet, er habe vor dem Juristen Trebatius gelebt52. Die Tatsache aber, dass Mela die Meinung von Aquilus Gallus53 und jene von Servius54 wiedergibt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass Mela ein republikanischer Jurist war. In den Digesten wird Mela einmalig gemeinsam mit Labeo genannt, jedoch nach ihm erwähnt. Dies legt die Vermutung nahe, dass Mela nach Labeo geschrieben hat55 und gleichzeitig Zeitgenosse Proculus' war, obwohl Proculus und Mela vielleicht derselben Schule angehörten56. Wäre dem so, könnten die zwei von Ulpian berichteten Meinungen einen lebhaften juristischen Streit des ersten Jahrhunderts n. Chr. über das Verschulden des Geschädigten" begründet haben, in dem beide die jeweils andere Meinung gekannt haben. Mela hätte den Fall (einen theoretisch konstruierten Fall oder wahrscheinlicher einen Fall, der sich tatsächlich ereignet hat) geschildert (Mela scribit) und er hätte Proculus, seiner Ansicht entgegenstehend, die Möglichkeit aufgezeigt, dass alle drei, Werfer, Barbier und Sklave, schuldig sind. Ich meine also, dass Mela die Idee des Mitverschuldens begründet hat, obwohl dem eine Mithaftung auf Grund der römischen Formel nicht folgen konnte. Mela anerkannte ein überwiegendes Verschulden des Sklaven ebenso wenig wie einen Schuld-ausschliessungsgrund. Die weitere anonyme Lösung, die besagt, dass niemand aus der lex Aquilia haftet und deshalb das eigene Verschulden des Sklaven die Haftung des Barbiers ausschliesst, führt hingegen - wie Hagiotheodorita richtig betont - zu einer ungerechten Lösung.

 

 

* Dieser Beitrag ist meinem Freund und Kollegen Laurens Winkel gewidmet.
** Meiner Mitarbeiterin, Frau Tanja Zbinden, bin ich für das Korrekturlesen des Textes zu Dank verpflichtet.
1 O. Lenel, Palingenesia iuris civilis II, Lipsiae 1889 [rist.         [ Links ] Roma 2000] 524, § 614.
2 Übersetzung von M. Rainer/J. Filip-Fröschl, Texte zum Römischen Recht. Fallbeispiele für das Studium. Schwerpunkt Schuld- und Sachenrecht, Wien/New York 1998.         [ Links ]
3 A. Wacke, Unfälle bei Sport und Spiel nach römischem und geltendem Recht, in Stadion 3, 1978/9, 13.
4 Zum ambulanten Barbier, der eine normale Erscheinung gewesen sein soll, s. K.J. Marquardt, Das Privatleben der Römer II, 1886, 604.         [ Links ]
5 C.J.H. Jansen, Mitverschulden: einige Betrachtungen über D. 9,2,11 pr., in L. De Ligt/J. de Ruiter/E. Slob/J.M. Tevel/M. van de Vrugt/L.C. Winkel (Hrsg.), Viva vox Iuris Romani. Essays in Honour of J.E. Spruit, Amsterdam 2002, 104. Zum Trigon, in dem drei Spieler durch ihre Aufstellung ein gleichseitiges Dreieck bildeten und mit mehreren Bällen spielten, s. G. Racke, Trigon, in PW 7a, 1939 (Neudruck 1974), 138. Für die Möglichkeit, dass der Ball im Fall mit einem Stock geschlagen wurde, s. R. Knütel, Zu den Gleichnissen des Art. 146 der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V, in F. Dorn/J. Schröder (Hrsg.), Festschrift für G. Kleinheyer zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2001, 355.         [ Links ]
6 Dass sie aus Stofflappen bestanden und mit Haaren oder Federn gestopft waren, behauptet Marquardt, Das Privatleben der Römer, 841ff.
7 R. Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, Cape Town 1990 (Neudruck 1996), 1010. Dagegen Knütel, Zu den Gleichnissen, 355, der behauptet, dass der Ballspieler, falls verantwortlich, eine actio in factum nach der lex Aquilia befürchten müsse, indem aber Mela
nur die direkte Klage in Betracht" zieht.
8 Ch. Wollschläger, Eigenes Verschulden des Verletzten, in ZSS 93, 1976, 132.
9 Wacke, Unfälle bei Sport und Spiel, 11. S. auch P. Aumann, Das mitwirkende Verschulden in der neueren juristischen Dogmengeschichte, Diss. Hamburg, 1964 und J. HÜBNER, Eine Wiederkehr der Culpa-Kompensation?, in Jus 1974, 496f.
10 Wollschläger, Eigenes Verschulden des Verletzten, 132.
11 Wollschläger, Eigenes Verschulden des Verletzten, 132.
12 Wollschläger, Eigenes Verschulden des Verletzten,132.
13 In der Tat wird der Sklavenherr wegen des Verlustes seines Sklaven und nicht der Sklave selbst geschädigt, so dass die Anführungszeichen hier angemessen sind. Für eigene Beispiele der Regelung, die moderne Rechtsordnungen für das eigene Verschulden des Geschädigten vorsehen, s. unten § 6, besonders Fn. 39-42.
14 Wollschläger, Eigenes Verschulden des Verletzten, 133; H. Hausmaninger, Das Schadenersatzrecht der lex Aquilia, 2. Aufl., Wien 1980, 28.
15 Knütel, Zu den Gleichnissen, 356.
16 S.G. Beseler, Miszellen, in ZSS 43, 1922, 540, der behauptet, dass das ganze Ende der Stelle von quamvis bis zum Ende unecht oder verfälscht ist und S. Schipani, Responsabilita ex Lege Aquilia. Criteri di imputazione e problema della culpa, Torino 1969, 420ff.         [ Links ]
17 Schipani, Responsabilita, 422.
18 G. Rotondi, Dalla lex Aquilia all'art. 1151 Cod. Civ. Ricerche storico-dogmatiche, in cur. E. Albertario, G. Rotondi, Studii sul diritto romano delle obbligazioni, Milano 1922, 487f.         [ Links ]; W. Kunkel, Exegetische Studien zur aquilischen Haftung, in ZSS 49, 1929, 177.
19 Rotondi, Dalla lex Aquilia, 487f., der behauptet, dass Mela ursprünglich als erster die Haftung des Ballwerfers erwähnt hätte. Besonders wird der Satz de se queri debet als naives Glossem gesehen, weil sich derjenige, der schon tot ist, nicht über sich selbst beklagen kann: so G. BESELER, Romanistische Studien, in ZSS 50, 1930, 31 und U. Lübtow, Untersuchungen zur Lex Aquilia de damno iniuria dato, Berlin 1971, 107 Fn. 104. Dagegen Th. Mayer-Maly, De se queri debere, officia erga se und Verschulden gegen sich selbst, in Festschrift M. Kaser zum 70. Geburtstag, München 1976, 248: gemeint ist, dass
man weder rechtsfähig noch lebend sein" muss, um sich etwas zuschreiben zu lassen". Darüber auch Wacke, Unfälle bei Sport und Spiel, 15 Fn. 56.
20 Beseler, Romanistische Studien, 31; Lübtow, Untersuchungen, 107 Fn. 104.
21 So bereits Kunkel, Exegetische Studien, 178f.
22 Die Haftung des Ballspielers wäre durch eine actio in factum begründet: Proculus hätte sich mit der Haftung des Barbiers dem unbequemen Problem der actio in factum entzogen: so Kunkel, Exegetische Studien, 178. Zur actio in factum, welche nach dem Vorbild der actio legis Aquiliae vom Prätor gewährt wurde, s. E. Valino, Acciones pretorias complementarias de la accion civil de la ley Aquilia, Pamplona 1973; B. Albanese, Studi sulla legge Aquilia, in Annali Palermo 21, 1950, 5ff.; G. Wesener, Actiones ad exemplum, in ZSS 75, 1958, 227 und Idem, Utiles actiones in factum, in Studi Betti IV, Milano 1962, 493ff.; W. Selb, Actiones in factum und Formeltechnik, in Festschrift Demelius, Wien 1973, 223ff.; G. Thielmann, Actio utilis und actio in factum, in Studi Biscardi II, Milano 1982, 295ff.
23 Voraussetzung der Tatbestandsmässigkeit im Sinne des ersten Kapitels war, dass die Tötung eines fremden Sklaven oder Tieres vorlag: s. D. 9.2.2 pr. (Gai. 7 ad ed. prov.). Dazu s. Albanese, Studi, 201ff.; C.A. Cannata, Sul testo originale della lex Aquilia: premesse e ricostruzione del primo capo, in SDHI 58, 1992, 194ff. und Idem, Sul testo della lex Aquilia e la sua portata originaria, in L. Vacca (Hrsg.), La responsabilita civile da atto illecito nella prospettiva storico-comparatistica, Turino 1995, 25ff.
24 Schipani, Responsabilita, 421 Fn. 24.
25 A.J. Scheltema/D. Holwerda/N. Van der Wal (Hrsg.), Basilicorum libri LX, 8, Groningen 1988, 2752; G.E./D.C.E. Heimbach (Hrsg.), Basilicorum libri LX V, Lipsiae 1850, 272 für die lateinische Übersetzung: Si quis pila ludens deiecerit pilam in tonsoris manum, et servo, qui tondebatur, gula fuerit praecisa, tonsor tenetur, si ibi tondebat, ubi ex consuetudine ludebatur, vel ubi transitus frequens erat etiamsi maxime recte quis dicat, ipsum de se queri debere, qui se in periculoso loco tondenti tonsori committit.
26 A.J. Scheltema/D. Holwerda/N. Van der Wal (Hrsg.), Basilicorum libri LX, Scholia in libros, 8, Nr. 41, 3104. S. auch G.E./D.C.E. Heimbach (Hrsg.), Basilicorum libri LX V, 272 für die lateinische Übersetzung: etiamsi maxime recte quis dicat]Hagiotheodor. Ex his duobus hominibus delinquentibus, inquit, tonsore, qui in tali loco tondet, et eo, qui eiusmodi tonsori se committit, oporteret deterioris conditionis esse eum, qui tonsus est, et sibi imputare, neque actionem habere in tonsorem. Verum tamen deterioris conditionis facimus tonsorem, et actioni subiicimus ob duas causas alteram, ut ne ex eventu dominum servi nihil delinquentem et prorsus ignorantem laedamus et duplo privemus, tonsorem autem noxa eximamus, quod iniustum esset alteram, quod, etsi non servus, sed liber esset is, cui gula praecisa fuit, aequius est, ex duobus malis praeferre maioris mali prohibitionem, quam minus punire. Nam si tonsorem non puniverimus, plures alios hic tali modo laeserit. En maius malum, quod prohiberi oportet, et caveri, ne unus tonsor magnam multitudinem hominum damno afficiat, licet multitudo parum attenta sit. Aequum igitur est, et hoc facimus, et tonsorem punimus, nec excludimus tonsum quod esset, si minoris mali poena statueretur. Punimus igitur tonsorem, multosque futuro damno liberamus, adiumento habentes regulam tit. 3. lib. 2. dicentem Cum sine damno fieri aliquid non potest, minus iniustum eligimus. Superiori autem casu solus peccavit is, qui transiit per eum locum, ubi iaculantes ludebant illi enim in campo iaculantes nihil deliquerunt.
27 Wollschläger, Eigenes Verschulden, 134.
28 Dazu s. Kunkel, Exegetische Studien, 179; Wollschläger, Eigenes Verschulden, 134 und D. Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, Tübingen 1999, 13.
29 Diese soll die Digestenstelle sein, welche dem zitierten Text im zweiten Buch, dritter Titel (s. B. 2.3.200 in G.E./D.C.E. Heimbach (Hrsg.), Basilicorum libri LX I, Lipsiae 1833, 78) entspricht.
30 B. Eckardt, Iavoleni Epistulae, Berlin 1978, 71 Fn. 44.
31 So Eckardt, Iavoleni Epistulae, 71.
32 Kunkel, Exegetische Studien, 179. Zu erwähnen sind die Stellungnahmen von Azo (Azonis, Summa Codicis 3,8), der die Verantwortung des Barbiers verneint. Der Meinungfolgt Accursius, der auf 13.6.23 (Pomp. 21 ad Quintum Mucium) verweist: da wird die culpa des Gläubigers bei einer Ausleihe anerkannt und deswegen die culpa des Schuldners bei Verschlechterung des Zustandes des ausgeliehenen Pferdes ausgeschlossen. Keine Haftung des Barbiers behauptet auch Faber (A. Faber, Rationalia in primam et secundam partem Pandectarum II, Lugduni 1631, 283: concludit, quod verius est, nullo casu tonsore teneri).
33 Lenel, Palingenesia II, 524, § 614.
34 Wacke, Unfälle bei Sport und Spiel, 4ff.; s. auch Hausmaninger, Das Schadenersatzrecht der lex Aquilia, 27, der behauptet, dass der Speerwerferfall vom Gedanken des überwiegenden Verschuldens geprägt ist. S. auch A. Pernice, Zur Lehre von den Sachbeschädigungen nach römischem Rechte, Weimar 1867, 58ff. und IDEM, Labeo. Römisches Privatrecht im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit II.1, 2. Aufl., Halle 1895 (Neudruck 1963), 89ff., der den Gedanken der Culpakompensation entwickelt.
35 Wollschläger, Eigenes Verschulden des Verletzten, 127.
36 Eine abweichende Behandlung erfährt der Fall in den Institutionen, I. 4.3.4: Itaque si quis, dum iaculis ludit vel exercitatur, transeuntem servum tuum traiecerit, distinguitur nam si id a milite quidem in campo eoque, ubi solitum est exercitari, admissum est, nulla culpa eius intellegitur si alius tale quid admissit, culpae reus est. idem iuris est et de milite, si is in alio loco, quam qui exercitandis militibus destinatus est, id admisit, in der auch zwischen Militär und Zivilisten unterschieden wird. Dazu s. Kunkel, Exegetische Studien, 174.
37 R. Zimmermann, Römisches Recht und europäische Kultur, in I. Fargnoli/S.Rebenich (Hrsg.), Das Vermächtnis der Römer. Römisches Recht und Europa, Bern 2012, 47ff.         [ Links ] und für die reiche weitere Literatur zum Thema 79ff.
38 Zum Thema der Fruchtbarkeit der Erkenntnisse und Erfahrungen der romanistischen Wissenschaft s. auch besonders R. Knütel, Zu dieser Übersetzung, in O. Behrends/R. Knütel/B. Kupisch/H.H. Seiler (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis. Text und Übersetzung. 1. Institutionen, 2. Aufl., Tübingen 1997, 264; Idem, Römisches Recht und Europa, in: Revue Internationale des Droits de l'Antiquité, 41, 1994, 186ff. und IDEM, Rechtseinheit in Europa und römisches Recht, in Zeitschrift für europäisches Privatrecht 2, 1994, 244ff.; Idem, Diritto romano e ius commune davanti a Corti dell'Unione europea, in: Ricerche dedicate al Prof. F. Gallo 3, Napoli 1997, 538ff. und neulich IDEM, I compiti della romanistica del nostro tempo, in E. Stolfi (Hrsg.), Dieter Nörr e la romanistica europea tra XX e XXI secolo. Atti del convegno, Torino 2006, 141ff.
39 1304 ABGB: Wenn bei einer Beschädigung zugleich ein Verschulden von Seite des Beschädigten eintritt, so trägt er mit dem Beschädiger den Schaden verhältnismässig; und wenn sich das Verhältnis nicht bestimmen lässt, zu gleichen Teilen.
40 Art. 44 OR Abs. 1: Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden.
41 § 254 Abs. 1 BGB: Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
42 Art. 1227 Codice civile: ... il risarcimento è diminuito secondo la gravitá della colpa e l'entitá delle conseguenze che ne sono derivate. Il risarcimento non è dovuto per i danni che il creditore avrebbe potuto evitare usando l'ordinaria diligenza.
43 Ch. Wolff, Ius naturae methodo scientifica pertractatum, II, Halle 1742.
44 Dazu vor allem N. Jansen, § 254. Mitverantwortlichkeit des Geschädigten, in M. Schmoeckel/J. Rückert/R. Zimmermann (Hrsg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Tübingen 2003, § 254, 674ff., Rn. 22ff. S. auch K. Luig, Überwiegendes Mitverschulden, in Ius Commune 2, 1969, S. 232, insb. S. 235 und allgemeiner zu Wolffs Lehre, B. Winiger, Das rationale Pflichtenrecht Christian Wolffs. Bedeutung und Funktion der transzendentalen, logischen und moralischen Wahrheit im systematischen und theistischen Naturrecht Wolffs, Berlin 1992.
45 S. den Kommentar von Baldus de Ubaldis zur Stelle:
δτε χωρίς βλάβης ούκ ενδέχεται γενέσθαι τι, τό ήττον άδικον έπιλεγόµεθα.
46 E. Betti, Questioni di metodo. Appendice all'articolo
L'attuazione dei due rapporti causali attraverso un unico atto di tradizione", in BIDR 40, 1933, 271 = in G. Luraschi/G. Negri (Hrsg.), Questioni di metodo. Diritto romano e dogmatica odierna I, Como 1997, 105.
47
Wie Fabius Mela ... seinen Fall entschieden hat, wird leider nicht mitgeteilt", so Knütel, Zu den Gleichnissen, 355.
48 S. z.B. D. 9.2.11.2 (Ulp. 18 ad ed.), wo es um plures geht, die einen Sklaven tödlich schlagen und es nicht festzustellen ist, wer den letztendlich tödlichen Schlag geführt hat.
49 Si paret Numerium Negidium illum servum iniuria occidisse, quam ob rem, quanti is servus in eo anno plurimi fuit, tantam pecuniam Numerium Negidium Aulo Agerio dare oportet, tantam pecuniam duplam iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato; si non paret absolvito (s. O. Lenel, Das edictum perpetuum, 3. Aufl., Leipzig 1927, 201 und auch D. Mantovani, Le formule del processo privato romano, Padua 1999, 2. ed., 64). Zur Frage s. Wollschläger, Eigenes Verschulden, 135, der betont, wie der römische Richter keine Möglichkeit hatte, eine Mitschuld des Verletzten mindernd zu berücksichtigen, und neulich D. Nörr, Zur Formel der actio legis Aquiliae, in H. Altmeppen/I. Reichard/M.J. Schermaier (Hrsg.), Festschrift für R. Knütel zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2009, 833ff.
50 Knütel, Zu den Gleichnissen, 356.
51 Dass Mela auch in anderen Rechtsgebieten bekannt ist als der Autor von originellen Lösungen, ergibt sich aus einer furtum-Stelle, D. 47.2.52.22 (Ulp. 37 ad ed.), dazu I. Fargnoli, Ricerche in tema di furtum. Qui sciens indebitum accipit, Mailand 2006, 138ff. Zu Fabius Mela s. S. Brasloff, v. Fabius nr. 117, in PW 12.1, 1909, c. 1830, der behauptet, dass Mela in der Zeit von Augustus und Tiberius literarisch tätig war. Vgl. D. 19.2.13.8 (Ulp. 32 ad ed.), der mit Labeo et Mela meinen könnte, dass Mela nach Labeo geschrieben habe: s. dazu F.P Bremer, Iurisprudentia antehadriana II.1, Lipsiae 1898 (Neudruck Leipzig 1985), 288ff.; Brasloff, v. Fabius, c. 1830 und P. Huvelin, Études sur le furtum dans le très ancien droit romain. 1. Les sources, I-II, Lyon/Paris 1915 (Neudruck Rom 1968), 611.
52 B. Albanese, La nozione di furtum fino a Nerazio, in AUPA 23, 1953, 63ff., der mit einer detaillierten Untersuchung der Frage zu diesem Ergebnis kommt: vor allem meint er, dass die Erwähnung von Mela nach Labeo in D. 19.2.3.18 kein Beweis sei, da es in Ulpians Kommentar häufig vorkommt, dass Melas Meinung an einer Stelle und Labeos Meinung unmittelbar in der folgenden Stelle und mit der bestimmten Reihenfolge Labeo-Mela erwähnt wird: so in D. 9.2.27 und 35, D. 11.7.14.2. und 3, D. 19.1.17.6 und 7, D. 47.10.15.45 und 46, D. 47.10.17.2. Das ist aber m.E. kein überzeugendes Argument, da Ulpian in seinem Kommentar, wie andere Juristen in den eigenen Kommentaren, in den verschiedenen Stellen, die man auf Grund der Digesten rekonstruieren kann, nicht unbedingt die chronologische Folge der Juristen berücksichtigt.
53 D. 19.1.17.6 (Ulp. 32 ad ed.): Gallus autem Aquilius, cuius Mela refert opinionem.
54 D. 33.9.3.10 (Ulp. 22 ad Sab.): Servius apudMelam.
55 D. 19.2.13.8 (Ulp. 32 ad ed.): et ita Labeo et Mela scribunt. Dazu als erster Bremer, Iurisprudentia, 288; s. auch vor allem W. Kunkel, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, Graz/Wien/ Köln 1967, 116 und Brasloff, v. Fabius, c. 1830.
56 Vielleicht bestand damals der Gegensatz der Schulen der Sabinianer und Proculianer noch nicht,s.dazu C. Ferrini, Saggi intorno ad alcuni giureconsulti romani, in Opere di C. Ferrini II, 11ff.

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