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Fundamina

versión On-line ISSN 2411-7870
versión impresa ISSN 1021-545X

Fundamina (Pretoria) vol.20 no.1 Pretoria ene. 2014

 

Plinius, Epistulae 8,14: Abstimmungsprobleme im römischen Senat

 

 

Wolfgang Ernst*

Professor für Römisches Recht und Privatrecht, Universität Zürich

 

 


ABSTRACT

Classicists, historians and public choice-theorists have all found Plin. Epist. 8,14 unsatisfactory. This paper looks into the psephological question, Pliny's core topic, from a legal perspective. In the case of Afranius Dexter's freedman, Pliny wished to let each senator declare himself just once, for the death penalty, relegation or acquittal. Whether this was a reasonable demand or the epitome of the art of political manipulation" (Riker), depends on the ius senatorium of the time. Senators voiced their adherence to a specific sententia by way of discessio. Assembling a maior pars of the senators present and voting" around the auctor of a specific sententia did not in itself constitute the consultum or decretum senatus, the passing of a resolution. It required a perfectio decreti senatus by the presiding magistrate. All discessiones were part of one and the same preliminary process establishing support for conflicting opinions. It was therefore permissible to try to establish support for different, even contradictory sententiae, before the consul formulated the sententia senatus (arg. 8,14,13/14). Seen in the light of the ius senatorium of his time, Pliny's position was far from manipulative. All his arguments, while sometimes far-fetched and not as pertinent as those of Roman lawyers, are comprehensible. Pliny also looks into an alternative procedure, namely formally declaring a winner after the first discessio (on relegation), with an immediate fixing of a corresponding senatus consultum (8,14,21); this, however, would extinguish all rivalling proposals (8,14,22). The senate did not subscribe to Pliny's point of view, neither in the case of Afranius Dexter's liberti nor, for all we know, subsequently.


 

 

1. Einleitung

Epist. 8,14:1 In diesem an den Juristen Aristo2 adressierten Brief nimmt Plinius der Jüngere die Geschehnisse einer konkreten Senatssitzung zum Anlass, über die verfahrensmässige Behandlung konkurrierender sententiae - es ging um Strafurteile mit den Inhalten Verbannung", Todesstrafe" und Freispruch" - zu räsonnieren. Die Befassung mit dem Brief von historiographischer und philologischer Seite hat durchweg zu negativen Beurteilungen geführt. Seit geraumer Zeit findet der Brief auch das Interesse von Vertretern der public choice'-Forschung;3 diese haben - aus einer anderen Blickrichtung - das seit langem ungünstige Urteil bestärkt. Nun hat vor kurzem Christopher Whitton entgegen der herrschenden Meinung" dargetan, wie sorgfältig komponiert und anspielungsreich der Brief ist; Whitton weist dem Brief im Werk des Plinius eine herausgehobene Stellung zu.4 In meinem Beitrag wird die von Whitton ausgeklammerte Abstimmungsthematik - das eigentliche Thema des Briefes - aufgrund der Aibeitshypothese untersucht, dass Plinius auch insoweit eine genau durchdachte Argumentation entfaltet. Durch close reading" soll der juristische Sachgehalt des Briefes rekonstruiert werden. Denn es ist ja ein juristisches Thema, um das sich der Brief in der Hauptsache dreht: Plinius trägt dem befreundeten iuris consultus Überlegungen vor, die eine Verfahrensfrage des ius senatorium betreffen; materiellrechtlich" steht das Senatus consultum Silanianum im Hintergrund. Der Brief selbst ist freilich kein juristischer Text.

Plinius' theoretische Erwägungen müssen sauber von dem getrennt werden, was der Brief über die Senatsverhandlung erkennen lässt, wie sie - nach Plinius' Bericht -tatsächlich abgelaufen ist: 8,14,16 bis 8,14,23 enthalten die für Aristo, die zeitgenössische Leserschaft und für die Nachwelt5 entfaltete Argumentation, mit der Plinius seine Position begründet; diesem Teil voran- und nachgestellt sind Aussagen dazu, was er in der Senatssitzung erlebt und bewirkt haben will (8,14,12-15 bzw. 8,14,24). Die Einleitung, in welcher das Abreissen der guten Traditionen beklagt wird (8,14,1-11), soll hier nicht ausführlich behandelt werden; sie ist bereits vielfach ausgedeutet worden.6

 

2. Streitgegenstand und Verfahrensart

Zugrunde lag der gewaltsame Tod des Konsuls Afranius Dexter im Jahre 105.7 Es war unklar, ob es sich um Fremdverschulden oder um Selbstmord - mit oder ohne Sterbehilfe -handelte (8,14,12). Das SC Silanianum, das man in die Zeit des Augustus setzt,8 sah bei einem gewaltsamen Tod eines Sklavenhalters die Folterung und Exekution aller seiner Sklaven vor, die sich zur Tatzeit sub eodem tecto befunden hatten: Die ausgebliebene Hilfeleistung der Sklaven machte diese mitschuldig am Tod.9 Die einzelnen Begriffe des SC Silanianum wurden Gegenstand eingehender Auslegung. Paulus widmete dem SC eine Monographie ad senatus consultum Silanianum10 Ob das SC bei Selbstmord anwendbar war, muss zweifelhaft erschienen sein.11 Weitere Gesetzgebungsakte -bis hin zu Justinian - veränderten die Untersuchungs- und Bestrafungsanordnung; die spätere Entwicklung nach dem für uns massgeblichen Jahr braucht hier indes nicht zu interessieren. In den Digesten sammelt der Titel 29,5 einschlägige Auszüge aus den Juristenschriften; Codex 6,35 bringt diesbezügliches Kaiserrecht.

Ein wesentliches Problem in der Handhabung des SC Silanianum war es, auch testamentarisch Freigelassene noch in die Untersuchung/Bestrafung einzubeziehen, die an sich mit Testamentseröffnung frei und damit von Folter exemt waren. Ein ergänzender Senatsbeschluss (das sogenannte SC Neronianum) hat im Jahre 57 dafür gesorgt, dass die im Todeszeitpunkt vorhandenen Sklaven ohne Rücksicht auf eine etwaige testamentarische Freilassung gefoltert werden konnten.12 Angeordnet war dazu eine Aufschiebung der Öffnung des Testaments bis nach erfolgter Untersuchung (D 29,5,3,18ff. Ulp 50 ed); Zuwiderhandlung wurde - möglicherweise erst später - unter Strafe gestellt (D 29,5,25,2 Gai 17 ad ed prov). Dieser Zusammenhang dürfte der Anlass gewesen sein, dass das SC Silanianum im Kontext des Erbrechts zur Ediktsmaterie wurde.

Eine constitutio unter Trajan ordnete den Einbezug der bereits zuvor, zu Lebzeiten des Gestorbenen Freigelassenen an, jedoch nur in die Untersuchung, nicht auch in die Bestrafung (D 29,5,10,1 Paul lib sing SC Silanianum).13 Es liegt nahe, dass gerade der Tod des Afranius Dexter für Trajan der Anlass gewesen ist, zu bestimmen, dass sich die Untersuchung, also die Folter, auch auf die vom getöteten Sklavenhalter bereits zu Lebzeiten Freigelassenen erstreckte. Die Konstitution wäre dann dem Senatsverfahren vorausgegangen, sie hätte die Rechtsgrundlage" dafür dargestellt, dass die Freigelassenen unter Folter zu befragen waren.14 Hierfür spricht eine Wendung in 8,14,12 in der Plinius die von ihm selbst proponierte sententia so beschreibt: hos alius ... post quaestionem supplicio liberandos ... arbitrabatur. Er geht also unproblematisch davon aus, dass die Freigelassenen der Folter unterworfen sind.15 Da Trajan für die früher Freigelassenen nur die Folter, nicht aber die Bestrafung vorgeschrieben hat, wäre sehr gut erklärlich, dass man nun im Senat über die Frage streiten konnte, ob sich damit für die Freigelassenen auch eine Straffolge anschliessen sollte - und wenn ja: welche. Sherwin-White hat festgestellt, dass man länger als üblich gebraucht hat, um den Fall abzuschliessen;16 dies könnte seinen Grund darin gehabt haben, dass zunächst eine Konstitution den Weg für die Folter der zu Lebzeiten Freigelassenen freigemacht hat.17

Die Sache wird im Senat verhandelt. Es handelt sich um den konsularisch-senatorischen Strafprozess.18 Der Senat konnte, vorbehaltlich nur einer bereits anderweitigen Rechtshängigkeit, ein Strafverfahren über jeden Vorgang eröffnen. Die Befassung des Senats mit dem Tod des Afranius Dexter dürfte durch dessen Amtsstellung veranlasst worden sein. Im konsularisch-senatorischen Strafverfahren konnten sogar nicht verbotene Handlungen mit Strafe belegt werden; auch über das Strafmass konnte der Senat nach Gutdünken entscheiden:19 Das Senatsgericht steht über den Gesetzen; es findet nicht eine eigentliche Gesetzesanwendung statt, vielmehr erfolgt die Strafentscheidung in einer losen Orientierung an den Gesetzen. Das Verfahren, insbesondere die Mehrheitsfeststellung, folgt den für die Senatsverhandlung geltenden Regeln;20 die Literatur, die die Entscheidungsfindung im Senat behandelt,21 kann insoweit herangezogen werden.

 

3. Der Hergang im Senat

3.1 Die in der "Umfrage" befürworteten sententiae

Von der Senatsverhandlung berichtet Plinius nur insoweit, als es um die Bestrafung der Freigelassenen geht (4,8,12). Vor dem Eintritt der Diskussion, von der er berichtet, war es auch um die Bestrafung der Sklaven, insoweit um die Alternative: Todesstrafe oder Freispruch, gegangen.22 Offenbar hatten die Anhänger der Verbannungsstrafe einen integralen Antrag gestellt, der zugleich die Todesstrafe für die Sklaven vorsah. Dieser Antrag hatte sich jedoch eine Teilung gefallen lassen müssen (8,14,15), was durch das Verlangen divide!" geschah.23 Es lagen daher keine derartigen Mischanträge" mehrvor.24

Hinsichtlich der Freigelassenen waren drei verschiedene Entscheidungsvarianten vorgeschlagen, nämlich Todesstrafe, Verbannung25 und Freispruch. Es sei nochmals hervorgehoben, dass die Bestrafung in zweierlei Hinsicht als Problemfall" angesehen werden konnte: Zum einen ging es möglicherweise um Selbstmord, für den die Bestrafung - schon der Sklaven - durch das SC Silanianum nicht angeordnet war, zum anderen fehlte eine gesetzliche" Einbeziehung der Freigelassenen in die Strafanordnung. Beide Gesichtspunkte stellten indes im senatorisch-konsularischen Strafverfahren kein rechtliches Hindernis dar, die Freigelassenen nach Gutdünken zu bestrafen.

Plinius selbst ist der auctor der auf absolutio lautenden sententia. Plinius' Thema ist nicht das Strafurteil, sein Inhalt oder seine Begründung, sondern die reine Verfahrensfrage des ius senatorium. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir nicht erfahren, aus welchem Grund Plinius für Freispruch eintrat, ob er also (a) rechtlich die Anwendbarkeit des SC Silanianum im Fall des Selbstmordes verneinte (oder bezweifelte) oder (b) den Einbezug der Freigelassenen in die Strafanordnung des Senatus consultum rechtlich verneinte (oder bezweifelte) oder ob er auf der tatsächlichen Seite (c) die Unschuld der Freigelassenen als bewiesen oder wenigsten den Tathergang (Mord/Selbstmord?) als ungeklärt ansah.26 Für einen konsularisch-senatorischen Strafprozess verlangten diese Fragen gar nicht zwingend nach einer Antwort, weil der Senat willkürlich strafen konnte; sie lagen jedenfalls ganz ausserhalb dessen, was Plinius erörtern will. Wenn man annimmt, dass Trajan den Einbezug der zu Lebzeiten Freigelassenen bewusst auf die Untersuchung beschränkt hat, hätte Plinius mit dem Eintreten für Freispruch möglicherweise im Sinne des Herrschers gehandelt, der an dieser Senatssitzung nicht teilnahm.27

3.2 Der Aufruf zur ersten discessio

Als Erstes sollte die auf Verbannung lautende sententia zum Aufruf kommen (8,14,13 und 8,14,19 /'.ƒ). Das Ende von 8,14,13 legt nahe, diese discessio28 habe bereits stattgefunden oder jedenfalls begonnen, als Plinius intervenierte. Flaig nimmt hingegen an, der versammlungsleitende Konsul habe zunächst die sententia des Plinius, also den Freispruch", aufgerufen, weil es sich dabei um den weitergehenden Antrag gehandelt habe.29 Hierfür gibt es im Text keinen Anhalt. Im Gegenteil wären bei diesem Aufruf die Gegner des Plinius im besten Recht, sich gemeinsam von den Freispruch-Anhängern abzusondern, da sie ja alle für etwas anderes sind als für Freispruch. Flaig kommt zu seiner Annahme, weil er apriorisch davon ausgeht, man habe zuerst und getrennt nur über die Schuldfrage abstimmen müssen.30 Dieser, dem modernen Strafverfahren entnommene Unterschied ist dem Text unbekannt.31 Es entsprach gerade dem senatorisch-konsularischen Strafverfahren, dass in freiem Ermessen entschieden wurde; dies schloss auch die Freisprechung ein. Die sententiae standen also, wie wir heute sagen würden, auf einer Stufe; keiner sententia gebührte ein logischer Vorrang. Dies war jedenfalls auch die Sicht Plinius', wie sich aus 8,14,22 ergibt.32 Übrigens war das Konzept des weitestgehenden Antrags der römischen Abstimmungskultur fremd, abgesehen davon, dass nach moderner Vorstellung weitestgehend" der Antrag mit der schärfsten Straffolge wäre.

Der zuerst vorgenommene Aufruf zur discessio für Verbannung" ist erklärungsbedürftig, wenn man annimmt, die Abfolge der Aufrufe zur discessio habe sich an die Reihenfolge gehalten, in welcher die sententiae geäussert worden sind, wofür bekanntlich eine ordo sententiarum galt. Für diese war, kurz gefasst, der Rang der auctores massgeblich.33 Gegenüber Plinius als Suffektkonsul34 des Jahres 100 genossen die consules designati den Vorrang, ebenso alle, die das Konsulat vor ihm bekleidet hatten. Man kann daher keineswegs davon ausgehen, dass Plinius mit dem Vortrag seiner sententia an erster Stelle gekommen war. Ohnehin aber folgten die Aufrufe zur discessio nicht zwangsläufig in derselben Ordnung.35

3.3 Der von Plinius erwartete Verfahrensverlauf

Plinius erkennt die Absicht, dass die Anhänger der Todesstrafe, die sich jetzt zum Stimmführer für die Verbannung begeben, sich beim nachfolgenden Aufruf der Todesstrafe auch noch für diese erklären wollen. Die Anhänger der Todesstrafe wollen sich zunächst für die Verbannung aussprechen, um wenigstens diese Bestrafung sicherzustellen. An dieser Stelle sei bedacht, wie sich Plinius den Fortgang ohne seine Intervention vorgestellt haben muss. Verschiedene Verläufe sind zu unterscheiden.

(a) Was passiert, wenn sich sogleich eine Mehrheit für die Verbannung erklärt? Da es den Anhängern der Todesstrafe darum geht, zunächst einmal wenigstens eine Mehrheit für die Verbannung zusammenzubringen, sie dann aber - so die Erwartung des Plinius - auch noch versuchen wollen, eine Mehrheit für die Todesstrafe zu erreichen, ist davon auszugehen, dass die Todesstrafe im Anschluss zum Aufruf kommen würde. Wenn bei diesem Verlaufe des Gesamtvorgangs die Todesstrafe, ebenso aber auch Verbannung eine Mehrheit der Senatoren hinter sich bringt, wird der Konsul - so erwartet es Plinius - die Todesstrafe zum Inhalt des Senatsbeschlusses erheben; wir werden noch sehen, dass und warum dies möglich war.36

(b) Verfehlte die Verbannungslösung die Mehrheit, so musste im Anschluss der Vorschlag Todesstrafe zur discessio gebracht werden. (aa) Fand sich für die Todesstrafe eine Mehrheit, wäre der Senatsbeschluss so festgestellt worden. (bb) Wenn keine der auf eine Bestrafung lautenden sententiae eine Mehrheit gefunden hat - wie es der Hoffnung des Plinius entsprach -, brauchte man zu einer Entscheidung für den Freispruch eigentlich nicht mehr aufzurufen. Selbst wenn dabei eine maior pars für Freispruch verfehlt würde, wäre damit ja keine Bestrafung beschlossen.37

3.4 Der Verfahrensabschluss nach Plinius' Intervention

Nach Plinius' Ausführungen über die Berechtigung seiner Intervention (8,14,16-23) wird der Fortgang der Senatsverhandlung in 8,14,24 wieder aufgenommen. Wir erfahren, dass für die Todesstrafe keine discessio mehr stattfand, weil der bisherige auctor dieser sententia sie fallen liess und auch kein anderer Senator die Autorschaft dieser sententia übernehmen wollte. Die Anhänger des Stimmführers hinsichtlich der Todesstrafe folgten diesem, treten nun wie dieser für Verbannung ein (8,14,25).38 Dass der Konsul tatsächlich auf das von Plinius geäusserte Begehren eingegangen wäre -wie Flaig meint39 -, entspricht nicht dem Text. Wenn der versammlungsleitende Konsul das Verfahren wie von Plinius verlangt durchgesetzt hätte, hätte Plinius diesen Erfolg wohl kaum unerwähnt gelassen. Im Rahmen unserer - freilich fragmentarischen -Überlieferung wissen wir auch hinsichtlich der Folgezeit von keiner Senatsentscheidung, bei der man der Verfahrensvorstellung des Plinius gefolgt wäre.

Plinius hält sich den Umstand zugute, dass der Senator, der die Todesstrafe verlangt hatte, seine Meinung fallen liess; damit sei dieser vielleicht nicht dem Recht, aber jedenfalls der aequitas (wie Plinius sie auseinandergesetzt haben will) gefolgt (8,14,24). Obtinui quidem, quodpostulabo: dies bezieht sich auf Plinius' Petitum, Befürworter der Verbannung dürften nicht auch noch für die Todesstrafe stimmen, nicht aber auf seine eigene sententia, die auf Freispruch lautete. Nur: Die Möglichkeit, anschliessend noch für die Todesstrafe zu stimmen, entfiel, weil niemand sich mehr als auctor dieser sententia exponieren wollte, nicht weil man Plinius' Ansicht über die richtige Verfahrensordnung als gültig anerkannte.

Plinius berichtet nicht, ob schlussendlich auf Freispruch oder Verbannung erkannt wurde.40 Wenn man annimmt, dass alle Anhänger der Todesstrafe sich für die Verbannung ausgesprochen haben, dürfte diese beschlossen worden sein.41 Wir erfahren, dass die Freilassung mehr Senatoren auf ihrer Seite hatte als jeder der beiden Anträge (8,14,24; etenim -fin.); hieraus darf mit Vorsicht geschlossen werden, dass die beiden auf positive Bestrafung gerichteten Anträge zusammen mehr Anhänger hatten als die Meinung des Plinius. Hätten die Anhänger der Verbannung, verstärkt durch die Anhänger der Todesstrafe, keine Mehrheit dargestellt, wäre ja auch Plinius' Sorge von vornherein grundlos gewesen. Ob Plinius schlussendlich das Leben der Freigelassenen gerettet hat, mag man bezweifeln, da nicht sicher war, dass die zur discessio gebrachte Todesstrafe wirklich eine Mehrheit für sich gehabt hätte.42

Dazu, ob die Sklaven bestraft (= getötet) wurden, äussert sich Plinius nicht. Wenn man annimmt, dass die Freigelassenen schlussendlich verbannt wurden, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Sklaven hingerichtet wurden. Ein weiterer Schluss auf das Untersuchungsergebnis (Mord/Selbstmord/Selbstmordhilfe) ist nicht möglich, weil der Senat seine Strafurteile allenfalls auch im Fall des eigenhändigen Selbstmords hätte verhängen können.

 

4. Plinius' Ansicht und seine Argumentation

4.1 Was Plinius wollte

Es geht folgend - entsprechend dem Briefinhalt - um das Petitum des Plinius hinsichtlich des Verfahrensablaufs, wenn man so will, um seinen Ordnungsantrag", nicht um seinen Sachantrag auf Freispruch". Plinius selbst klärt uns darüber auf, dass er seine im Brief entfaltete Argumentation in dieser Ausführlichkeit nicht im Senat vorgetragen hat, wo er nur multis obstrepentibus hatte sprechen können (8,14,16).43 Was genau im Senat zum Vortrag gekommen ist, lässt der Brief nicht erkennen. Plinius' eigene Sichtweise ist höflich in Fragen eingekleidet, die er dem Empfänger Aristo vorlegt. Diesem wird die Möglichkeit gelassen, der Sicht des Plinius zu widersprechen. Dabei ist Plinius' Position durchaus klar; sie wird hier ohne die der Höflichkeit geschuldeten Floskeln wiedergegeben.

Das Petitum des Plinius besteht darin, dass sich die Anhänger der Todesstrafe nicht zunächst als Anhänger der Verbannung erklären dürfen. Wer immer sich bei der ersten discessio zum auctor begeben hat, dürfe sich nicht anschliessend, beim Aufruf zur discessio für die Todesstrafe, zum Stimmführer dieser sententia begeben. Plinius verlangt also, dass sich jeder Senator nur ein einziges Mal erklärt, und zwar für Todesstrafe oder Verbannung (oder Freispruch). Freilich werden die Zustimmung zu einer dieser drei sententiae nicht simultan abgegeben, wie es etwa geschieht, wenn jeder einen Stimmzettel erhält, auf diesen seine Wahl schreibt und dann abliefert. Da die Anhängerschaft für eine sententia durch discessio ermittelt wird, können die einzelnen sententiae nur nacheinander aufgerufen werden. Daher kann der Wunsch des Plinius, jeder könne sich nur für eine einzige sententia bekennen, allenfalls so umgesetzt werden, dass man bei dem Stimmführer, zu dem man sich als Erstes begeben hat, verbleiben muss.

Es ist eine zentrale Frage, ob Plinius sodann diejenigen sententia als mehrheitlich gutgeheissen ansehen würde, der von allen dreien die meisten Anhänger findet, also das relative Mehr erreicht. Wir werden noch sehen, dass Plinius in der rhetorischen Literatur Wahlmodelle vorfand, die auf die Massgeblichkeit der relativen Mehrheit schliessen lassen.44 In der modernen Literatur besteht insofern Uneinigkeit über die Position des Plinius.45 Es ist nicht anzunehmen, dass Plinius für die Massgeblichkeit des relativen Mehrs eintritt. Im Brieftext findet sich zu dieser Frage keine ausdrückliche Stellungnahme. Da im Senat die einfache (absolute) Mehrheit - maior pars - für die Billigung einer sententia erforderlich war, hätte eine diesbezügliche Änderung wohl den Erlass einer neuen lex hinsichtlich des Senatsverfahrens erfordert. Dergleichen hat Plinius ersichtlich nicht zur Diskussion gestellt; vielmehr bekundet er gerade die Absicht, die gute alte Tradition des Senatsverfahrens nach Möglichkeit wieder aufzunehmen. Auch für Plinius ist eine sententia erst dadurch gebilligt, dass sich die einfache (absolute) Mehrheit der anwesenden Senatoren für sie erklärt.46 Dies ergibt sich eindeutig daraus, dass sich Plinius in seiner Argumentation auch mit dem auf der Hand liegenden Einwand auseinandersetzt, dass seine Verfahrensvorstellung die Verurteilungswahrscheinlichkeit herabsetzt;47 dieser Einwand könnte nicht erhoben werden, wenn Plinius das relative Mehr hätte ausreichen lassen wollen. Schliesslich kann das relative Mehr nur schlecht durch eine Abfolge von discessiones ermittelt werden: Grösserer und kleinerer Teil lassen sich abschätzen, die relative Stärke nacheinander aufgerufener Anhängergruppen aber kaum.48

4.2 Wie Plinius argumentierte

4.2.1 Das historische Argument

Ein wesentliches Argument, mit dem Plinius sich auseinandersetzen muss, ist das Herkommen, dem das von seinen Gegnern vorgesehene Verfahren möglicherweise entspricht. Diesem, wie wir heute sagen würden, historischen" Argument wird von Plinius vorbeugend entgegengearbeitet. Ausführlich schildert er 8,14,2-11 die Unterbrechung in der Tradition, derzufolge man im Senat nicht mehr über die Kenntnisse verfügte, wie man traditionsgemäss zu verfahren habe. Die wiederholte Berufung auf dieses Nichtwissen könnte man auch als einen Kunstgriff ansehen, mit welchem er dem Gegenargument zuvorkommt, er wolle etwas dem Herkommen Zuwiderlaufendes durchsetzen.

4.2.2 Die positive Senatsordnung

Plinius bezieht sich sodann auf eine lex (8,14,19). Es kann sich nur um die Verfahrensordnung des Senats gehandelt haben, die lex Julia de senatu habendo.49 Danach erfolgt der Aufruf zur discessio mit den Worten: qui haec censetis, in hanc partem, qui alia omnia, in illam partem ite, qua sentitis". Wir würden von einem Wortlaut-Argument sprechen: Der gesetzliche Aufruf zur discessio verlange nach einer Trennung derer, die für die aufgerufene sententia sind, von allen, die etwas anderes wollen. Dies schliesst es nach Plinius aus, dass jemand, der nachfolgend einer anderen sententia zustimmen will, sich zu den Befürwortern begibt.

4.2.3 Der Vergleich mit den drei Richtern

Eingeschoben ist eine hypothetische Abwandlung in die Situation, dass drei iudices hinsichtlich der Freigelassenen entscheiden sollen; einer erkennt auf die Todesstrafe, der zweite auf Verbannung, der dritte auf Freispruch (8,14,17). Plinius bestreitet die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung", wenn die Mehrheit erst durch Zusammenfassung inhaltsdivergenter Entscheidungen zusammengebracht werden kann. Damit befindet er sich im Einklang mit dem Mehrheitsverständnis, wie es in der römischen Rechtskultur aus dem Begriff der maior pars abgeleitet worden ist.50

Plinius vertieft das Argument, indem er fragt, ob einer der drei Richter zugleich für Todesstrafe und Verbannung sein könnte (8,14,18). Das Verfahren seiner Gegner, auf den Drei-Richter-Fall übertragen, würde es erlauben, das Vetfbannungsurteil eines derart doppelt" - oder schizophren - urteilenden Richters mit dem des sogleich für Verbannung Stimmenden zu einer Mehrheit zusammenzufassen. Auf eine solche schizophrene" Weise, so Plinius, könne sich ein einzelner Richter nicht äussern. Es sei ja auch nicht möglich, in der Realität eine Person sowohl zu verbannen als auch zu töten (8,14,18).

4.2.4 Das Argument der divisio

In 8,14,15 bezieht sich Plinius darauf, dass es neben der Bestrafung der Freigelassenen auch um die Bestrafung der Sklaven gegangen war. Dabei hatte sich eine sententia, die gesamthaft auf die Todesstrafe für die Sklaven und die Verbannung der Freigelassenen gerichtet war, eine Trennung gefallen lassen müssen.51 Die Befürworter der Paketlösung", die gesamthaft über Sklaven und Freigelassene hätten entscheiden lassen wollen, konnten also keine derartige einheitliche Abstimmung erzwingen, welche die Todesstrafe (für die Sklaven) und die Verbannung (der Freigelassenen) miteinander verbunden hätte -dagegen sollen sie sich nun mit den Anhängern der Todesstrafe für die Freigelassenen zusammentun können, und gegen diese Verbindung von Verbannungsanhängern und Anhängern der Todesstrafe solle man sich nicht verwahren können? Wir würden heute von einem Wertungswiderspruch sprechen.

4.2.5 Die sinkende Verurteilungswahrscheinlichkeit

In 8,14,21 wird ein denkbares Gegenargument widerlegt; hier müssen eine Entgegnung (erlebt oder erdacht) und deren anschliessende Entkräftung durch Plinius voneinander getrennt werden.52At enim - quae absolvit: Bei der Trennung von Todesstrafe und Verbannung (wie von Plinius verlangt) könnte der Freispruch überwiegen. Dieser Einwand ist verständlich vor dem Hintergrund, dass Plinius das Erfordernis der maior pars nicht antastet.53 Offenkundig sinken die Aussichten einer Verurteilung, wenn sich diejenigen, die für eine Verurteilung sind, auf zwei verschiedene Strafarten aufteilen müssen. Die - nicht sehr überzeugende - Antwort des Plinius (quid istud - mitius): Das müssten die Senatoren hinnehmen; man dürfe den Freispruch eben nicht mit allen Mitteln bekämpfen. Es handelt sich um einen Zirkelschluss.

4.2.6 Der Vergleich mit der Fechterausscheidung bei den spectacula

Der Abschnitt Oportet tamen eos - tertia exspectat und die folgende Antwort des Plinius (8,14,22) können als Crux des Briefes gelten, sprachlich und in der Sache. Vom Schlusssatz qua ergo - postea sagte Helmut Kasten, wir sollten doch einfach zugeben, dass wir ihn nicht verstehen".54 Im Kern dieses Passus steht ein Vergleich zu den spectacula (scilicet - exspectat): Von drei Fechtern treffen zunächst zwei aufeinander; der Sieger tritt gegen den Dritten an. Wer in die Rolle des Dritten kommt, der sich keiner Vorausscheidung stellen muss, bestimmt das Los. Da der Vergleich mit den drei Fechtern einen sachlichen Gesichtspunkt veranschaulichen soll, lässt sich von hier aus erschliessen, worum es ging. Offenbar soll man sich ein in zwei Stufen aufgetrenntes Verfahren vorstellen, bei dem jeweils ein victor ermittelt wird. Besonders aufschlussreich für das diskutierte Verfahren ist der Satz Quid, quodprima sententia comprobata ceterae perimuntur? Nach Billigung der zuerst aufgerufenen sententia sollen die übrigen sententiae gegenstandslos werden. Nun setzt auch das Vorgehen, das Plinius von seinen Gegnern erwartet, eine Abfolge mehrerer Abstimmungen voraus, dies aber so, dass nach Billigung der Verbannung die sententia betreffend die Todesstrafe sehr wohl noch im Raum steht und zur Mehrheitsfeststellung aufgerufen werden kann (8,14,13).55 Hier (8,14,22) ist nun aber die Rede von der Erledigung der weiteren sententiae durch Annahme der prima sententia. Man muss annehmen, dass Plinius mit dem Vergleich zu der Fechterausscheidung eine andere Verfahrensgestaltung diskutiert, als die, deren Erwartung ihn zu seiner Intervention veranlasst. Die Siegerfeststellung", die einer mehrheitlichen Billigung der prima sententia nachfolgt und alle weiteren sententiae erledigt, kann nur die förmliche Feststellung des Senatsbeschlusses sein. Denn nicht schon der Umstand, dass eine Senatorenmehrheit eine bestimmte sententia unterstützt, macht diese zum Gewinner"; dies tut erst die förmliche Erklärung seitens des leitenden Magistrats.56

Lesen wir den Text vor dem soeben entwickelten Hintergrund: Oportet tamen eos, qui puniunt, et qui relegant, absolventibusprimum, mox inter se comparari? Erwogen wird, zunächst die Mehrheit zu ermitteln im Hinblick über eine Bestrafung (im Gegensatz zum Freispruch), danach über die Todesstrafe im Gegensatz zur Verbannung. Dies ist nicht das Wunschverfahren des Plinius, sondern eine Verfahrensgestaltung, die sich als eine legitime Vereinigung der Verbannungs- und der Todesstrafenanhänger darstellen könnte. Worum handelt es sich bei der prima sententia, über die bindend - durch Beschlussfeststellung - entschieden werden soll? Man darf sich dies nicht so vorstellen, dass zunächst Bestrafung überhaupt" zum Aufruf kommt und dann, bei mehrheitlicher Unterstützung, eine Konkretisierung der Strafart durch Wahl zwischen Verbannung und Todesstrafe nachfolgt. Eine solche Verfahrensvariante haben weder Plinius noch seine Gegner befürwortet. Es ist auch ein Urteil in Form eines Senatsbeschlusses kaum denkbar, dass eine Bestrafung abstrakt, ohne Bestimmung der Strafart, ausspricht. Vielmehr muss man sich das Verfahren so denken, dass zunächst die Verbannungsstrafe zur discessio aufgerufen und dabei von den Anhängern der Todesstrafe unterstützt wird; die Verbannungsstrafe wird dann als siegreich sogleich zum Inhalt eines senatus consultum erklärt. Nun müsste die Verhandlung um die Todesstrafe beginnen. So kann nach Plinius indes nicht verfahren werden, weil bei Erhebung der mehrheitlich unterstützten prima sententia - es handelt sich um die auf die Verbannung gerichtete sententia - zum Senatsbeschluss die übrigen sententiae aufgehoben würden (8,14,22).

Plinius vertieft die Begründung, warum er diese Verfahrensvariante - förmlicher Senatsbeschluss Verbannung" sogleich im Anschluss an die mehrheitliche Unterstützung der Verbannungsstrafe, dann Neubeginn wegen der Todesstrafe - nicht zulassen will. Einfacher als im schwierigen Schlusssatz von 8,14,22 erklärt sich Plinius in 8,14,23: Die Anhänger der Todesstrafe, die - aus taktischen Gründen - der Verurteilung auf Verbannung zu einer Mehrheit (und einem entsprechenden Senatsbeschluss) verholfen haben, können ihre abweichende Meinung - es sei hinzurichten - gar nicht mehr zur Geltung bringen. Offenbar soll dieser Gedanke im Wesentlichen auch in dem Satz stecken qua ergo ratione potest esse non unus atque idem locus sententiarum, quarum nullus est postea. Die sententia, die später, also nach Beschlussfassung, keinen Platz hat, ist ausweislich von 8,14,23 die auf die Hinrichtung gerichtete. Man kann dies so verstehen, dass Plinius sich daran stört, dass sententiae, die beim Eintritt in das Verfahren auf gleicher Stufe standen, ungleich behandelt werden, indem bei Annahme der Verbannung gar keine Abstimmungsmöglichkeit hinsichtlich der Todesstrafe mehr besteht. Es bestünde also, in unserer Redeweise paraphrasiert, keine Chancengleichheit für in formeller Hinsicht gleichwertige sententiae.

 

5. Zur Bewertung der Position des Plinius

5.1 Plinius' Brief im Urteil unserer Zeit

Die moderne Literatur hat an der Argumentation des Plinius kein gutes Haar gelassen. Schon Mommsen sprach von wenig geschäftsmässigen Zweifeln, wie sie Plinius ... einem Juristen vorzutragen sich nicht scheut".57 Ähnlich abschätzig klingen weitere Stimmen. Bardt: Unkenntnis von parlamentarischen Formen ... Das Bemühen, einen falschen Gedanken durch weitere Ausführungen zu stützen, lässt dann die Argumentation immer verworrener werden".58 Talbert: a rambling, wordy letter".59 Sherwin-White: Plinius wants to alter the rules ... sophistical arguments . display of forensic rhetoric that might be little to the taste of an austere jurist ... badness of his case".60 Nach Helmut Kasten zeichnet sich die ganze Darlegung des Falles . nicht gerade durch Klarheit aus..".61 Flaig hat von einem Manöver" des Plinius gesprochen und den Erfolg dieses Manövers als Ausdruck mangelnden Rechtsbewusstseins der kaiserzeitlichen Senatoren gedeutet.62 William H. Riker sah im Vorgehen des Plinius einen attempt at controlling the agenda . foiled by the strategic voting of an opponent".63 Harries fand a series of agitated rhetorical questions".64

Wenig überzeugend ist zunächst die Vorstellung, Plinius habe die Angelegenheit im Senat bewusst verwirrt (Sherwin-White: fog of words", cloud of confusion"65). Selbst wenn Plinius in der Senatssitzung Verwirrung hätte stiften wollen - dazu können wir nichts sagen -, müsste doch ein auf seinen literarischen Ruf bedachter Autor bei einer für die Öffentlichkeit bestimmten Niederschrift um eine möglichst klare Exposition seiner Argumente bemüht sein. Dass Plinius in einem zur Veröffentlichung bestimmten Text, als dessen Adressat ein herausragender Jurist genannt ist, bewusst eine Verwirrungstaktik gebraucht haben sollte, ist eine absurde Vorstellung. Whitton hat gezeigt, wie sorgfältig der Brief komponiert ist.66 Dies deckt sich mit dem hier erhobenen Befund: Plinius entfaltet eine kunstvolle Argumentation. Unklar ist dabei in Wirklichkeit kein einziger Abschnitt, auch wenn manche Argumente gesucht erscheinen.

5.2 Vergleich mit Quint. Declamationes minores, 365

Die Problematik inhaltsdivergenter Urteile war der römischen Rechtskultur nicht unbekannt.67 Wir betrachten hier nur eine Erörterung in den Quintilian zugeschriebenen declamationes minores,68 die zur Zeit des Plinius bekannt gewesen sein dürfte. Spätere Behandlungen durch Gellius69 und durch Juristen ab der hochklassischen Zeit70 bleiben an dieser Stelle ausser Betracht; sie spiegeln nicht die geistige Umwelt des Plinius.

Es liegt sehr nahe, ist aber wegen der ungesicherten Autorschaft der declamationes minores nicht mit Sicherheit zu behaupten, dass Plinius mit der declamatio 365 vertraut war; Quintilian war sein Lehrer.71 Das Thema der declamatio: Sieben Richter entscheiden über die Strafart; drei befürworten die Todesstrafe, zwei die Exilierung und die beiden übrigen ignominia. Es ist nicht anzunehmen, dass es sich um ein reales Vorkommnis eines römischen Strafverfahrens handelt; am ehesten wird man aber Ähnlichkeiten zu einem Repetundenprozess erkennen.72 Quintilian (resp. der Autor) geht aus von der Massgeblichkeit der maior pars; dies würde zu einer Bestimmung der lex Iulia repetundarum passen, wonach quod eorum iudicum maior pars iudicarit, id ius ratum esto.73 Die Entscheidung wird durch eine Explikation des Begriffs maior pars gesucht: Die maior pars sei das, worauf die meisten übereinstimmend erkennen bzw. die Strafe, die die meisten übereinstimmend aussprechen, das, worauf die meisten übereinstimmend schwören. Dem Gegenargument für den Angeklagten, dass vier Richter seine Hinrichtung nicht wollen, wird entgegnet, man dürfe die jeweils zwei Äusserungen, die auf ignomia und exilium, nicht verbinden, quae se ipsae dividunt. ergo non idem sententies non potest jungere: idem sentientes compara.

Auch wenn Plinius sich nicht auf Quintilian bezieht, klingen die von diesem benutzten Topoi doch auch bei Plinius an: Insbesondere ist auch für Plinius die Unzulässigkeit einer Verbindung inhaltsverschiedener sententiae zu einer Mehrheit zentral (8,14,1719). Freilich geht es den Gegnern des Plinius gar nicht um eine solche unstatthafte coniunctio, bei der inhaltsverschiedene sententiae ja erst im Anschluss an die Ermittlung der jeweiligen Anhängerschaft - nachträglich also - zu einer Mehrheit zusammengefasst werden. In der Senatssitzung ging es allenfalls um eine versteckte coniunctio, indem die Anhänger der Todesstrafe ja tatsächlich zunächst einmal für die Verbannung sich erklären. Wenn sich dabei eine maior pars für die Verbannung ausspricht, geschieht dies, weil sich tatsächlich eine Senatorenmehrheit so erklärt hat, nicht aufgrund einer nachträglichen coniunctio inhaltsverschiedener sententiae, die je für sich keine Mehrheit gehabt haben. Die Problematik, die Plinius behandelt, ist also von derjenigen, die bei Quintilian erörtert wird, verschieden; Plinius entfaltet aber auch eine Argumentation, die gegenüber der Problemstellung bei Quintilian durchaus selbständig ist. Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass Plinius die relative Mehrheit genügen lassen wollte, die Quintilian zu diskutieren auffordert.

5.3 Plinius' Anliegen im Kontext des Senatsverfahrens

Viele der Kritiker des Briefes lassen die historische Distanz vermissen.74 Das Petitum des Plinius muss vor dem Hintergrund des Senatsverfahrens gesehen werden. Das Unverständnis, mit dem man den Ausführungen des Plinius begegnet ist, gründet sich vor allem in einer Fehlvorstellung von der Rechtswirkung einer Mehrheitsfeststellung, wie sie durch discessio, allenfalls auch durch mündliche Kundgabe in Form einer Umfrage (verbo adsentiri) erfolgte. Der römische Senat war ursprünglich kein Abstimmungskörper", sondern ein beratendes Gremium. Anders als der Bürger in der Volksversammlung legt der Senator (mit ius sententiae dicendae) nicht eigentlich eine JA- oder NEIN-Stimme zu einem Beschlussantrag" ein, vielmehr gibt er mit der Äusserung seiner sententia der eigenen, nicht stereotyp auf JA oder NEIN festgelegten Meinung Ausdruck (daher: sententiam dicere). Mittels discessio wird festgestellt, ob eine vorgetragene sententia eine Anhängerschaft findet, die eine maior pars der anwesenden Senatoren darstellt. Die einzelne discessio bildet jedoch nicht einen in sich abgeschlossenen Akt der Beschlussfassung, wie etwa über ein amendment" schon einmal bindend abgestimmt wird, bevor der Hauptantrag zur Abstimmung kommt. Die durch Bewegung zum auctor erfolgende Kundgabe des einzelnen Senators, dass er mit dieser sententia übereinstimmt, ist nicht eine Wirkerklärung", von der nur eine genügende Anzahl zusammenkommen müsste, damit ipso iure ein senatus consultum (oder decretum) zustande kommen würde. Vielmehr bedarf es eines Tätigwerdens der leitenden Konsuln, das von Tac. Ann. 14,49 als perficere decretum senatus bezeichnet wird; die Darstellung bei Tacitus zeigt auch, wie frei die Konsuln hierbei vorgehen konnten. Eine Senatorenmehrheit ist überhaupt nicht denkbarer auctor eines senatus consultum, sondern es ist der verfahrensleitende Magistrat, der festhält, was der Senat (mehrheitlich) befunden oder gebilligt hat.

Dem Umstand, dass der Eindruck einer mehrheitlichen Unterstützung noch keinen Beschluss darstellt, entspricht es, dass weitere sententiae geäussert und zur discessio aufgerufen werden konnten, auch nachdem sich bereits eine maior pars für eine sententia erklärt hatte, die mit der später aufgerufenen inhaltlich unvereinbar war. Wir kennen durchaus Fälle, in denen im Senat trotz schon erzielter Mehrheitszustimmung zu einer sententia nochmals das Wort ergriffen wurde und es gelang, unter Abzug von Anhängerschaft der bereits gebilligten sententia der später vorgetragenen Ansicht zur Mehrheit zu verhelfen.75 In diesen Fällen wird keineswegs ein schon gefasster Beschluss umgestossen; vielmehr wird der Konsul diejenige Meinung zur Senatsmeinung erklären, für die sich am Ende die Mehrheit ausgesprochen hat. Schon Mommsen hat angenommen, dass bei der Feststellung des Gesamtbeschlusses gegebenenfalls erreichte Mehrheiten wegen Unvereinbarkeit mit später gebildeten Mehrheiten in Wegfall kommen;76 dies setzt voraus, dass die frühzeitig ermittelten Mehrheiten noch nicht in Stein gemeisselt" sind. Wenn im vorliegenden Fall nach einer mehrheitlichen Zustimmung für die Verbannung auch die Todesstrafe von einer Mehrheit unterstützt worden wäre, hätte es keiner Aufhebung" der Mehrheitsfindung für die Verbannung bedurft, denn alle Mehrheitsermittlungen sind als solche nur die Vorbereitung zur förmlichen Feststellung des Senatsbeschlusses, die allein durch den leitenden Magistrat erfolgen kann.77 Bei Mehrheitsfeststellungen sowohl für die Verbannung als auch für die Todesstrafe wäre Letztere - das befürchtete Plinius ja - zum Senatsbeschluss erklärt worden, nicht, weil sie weitergehend" gewesen wäre, sondern weil sich in der diesbezüglichen discessio die letzte massgebliche Meinungslage des Senats gespiegelt hätte.

Besonders der Vergleichsfall der drei Richter (8,14,17-19) macht deutlich, dass Plinius alle discessiones als Teil einer von ihm als Einheit verstandenen Meinungsaufnahme sieht: Das von Plinius gebildete hypothetical" besteht hier nicht darin, dass die Richter zuerst über die Todesstrafe abstimmen und im Anschluss über die Verbannung; vielmehr würde es nach Plinius dem Vorgehen seiner Gegner entsprechen, wenn man zugleich - in ein und demselben Vorgang der Meinungserfassung - für Verbannung wie für Todesstrafe stimmen könnte. Sieht man die discessiones als Teile einer gesamthaften Ermittlung des Meinungsbildes im Senat, auf deren Grundlage dann der leitende Konsul zur Gesamtbeschlussfeststellung" schreitet, dann liegt es durchaus nicht fern, wenn Plinius verlangt, dass der einzelne Senator sich nur für eine der sententiae aussprechen kann.

Grundlegend anders würde es sich verhalten haben, wenn schon nach der ersten discessio eine der Ausscheidung bei den spectacula entsprechende Siegerfeststellung erfolgen würde, wenn m.a.W. schon nach der ersten discessio der Senatsbeschluss entsprechend der dabei ermittelten Mehrheitsansicht fixiert worden wäre. Mit dieser Verfahrensvariante setzt sich Plinius 8,14,21ff. auseinander. Hier ist bezeichnenderweise nicht mehr die coniunctio verschiedener sententiae das von Plinius bemühte Argument; Plinius meint, diese Verfahrensvariante aus anderen Gründen zurückweisen zu können.78

 

6. Schluss

Es ist nicht Sache einer historischen Betrachtung, über das richtig" oder falsch" der von Plinius bzw. seinen Gegnern eingenommenen Positionen zu urteilen. Immerhin kann man fragen, ob die damaligen Standpunkte, gemessen am Stand der Zeit, vertretbar" waren oder nicht. Wenn man annimmt, dass die Feststellung der jeweiligen Anhängerschaft für alle kundgegebenen sententiae in einer Abfolge von discessiones erfolgt, die zusammen die gesamthafte Grundlage einer schlussendlichen, integralen Beschlussfeststellung" bilden, ist die Argumentation des Plinius gar nicht unplausibel. Aus der Senatspraxis kennen wir indes sehr wohl Fälle, in denen Senatoren sich nach einander für sich inhaltlich ausschliessende sententiae bekennen.79 In diesen Fällen lag es aber so, dass es in einer kontroversen Auseinandersetzung gelang, Anhänger der einen Meinung zu einer anderen Meinung herüberzuziehen. Das Stimmverhalten, das Plinius bekämpft, unterscheidet sich von solchen Vorgängen, indem bei denjenigen, die zuerst für Verbannung, dann für die Todesstrafe stimmen wollen, kein Meinungsumschwung vorliegen wird. Mit einer heutigen juristischen Begrifflichkeit würde man fragen müssen, ob es sich deshalb beim Stimmverhalten der Gegner um Scheinerklärungen" handelt.80 Dies würden wir wohl verneinen, weil die Anhänger der Todesstrafe die von ihnen zunächst befürwortete Verbannung tatsächlich wollen, nur wollen sie sich eben die Chance offenhalten, danach noch eine schärfere Bestrafung durchzusetzen. Es ist indes gerade die Frage, ob das Senatsverfahrensrecht eine solche Reservemeinung" gelten lässt, was von Plinius in seiner - vielleicht gewundenen - Argumentation verneint wird. Ganz sicher kann man das Verlangen des Plinius nicht als manipulativ verurteilen. Wenn man sich freilich den Abstimmungsvorgang unhistorisch nach modernen Vorbildern so denkt, dass mit den discessiones in sich abgeschlossene, zu einer Art Zwischenbeschluss erhobene Stimmgänge" aufeinanderfolgen, sodass eine Senatorenmehrheit sogleich den Rechtsakt senatus consultum erzeugt, wird die Argumentation des Plinius unverständlich. Dann müssten die Senatoren ja jeweils neu abstimmen können und es wäre gar nicht einzusehen, warum sich nach Zustimmung zur Verbannung nicht auch noch eine Mehrheit für die weitergehende Todesstrafe sollte bilden können oder warum diejenigen, die später für die Todesstrafe stimmen werden, beim Aufruf der Verbannungsstrafe gehindert sein sollten, zunächst einmal für diese zu stimmen.

Schliesslich sollte man bedenken, dass das Problem kollektiver Entscheidungsfindung zur Zeit des Plinius analytisch noch gar nicht durchdrungen worden war; dies ist überhaupt erst im 18. Jahrhundert geschehen - als massgeblicher Name ist Condorcet zu nennen81 - und erst im 20. Jahrhundert ist der Beweis geführt worden, dass - bei bestimmten gesetzten Anforderungen - die Transposition einer Mehrzahl individueller Präferenzen in eine Kollektiventscheidung der Quadratur des Kreises gleichkommt.82

Am ehesten berechtigt scheint eine Kritik an Plinius' Erörterung, wenn man ansetzt bei dem Missverhältnis zwischen dem eher geringen Einfluss, den Plinius' Intervention gehabt hat,83 und seiner kunstvoll aufgebauten, in alle denkbaren Richtungen verzweigten Argumentation. Mit der Charakterisierung als Ästhetizismus (Lefèvre) ist die Sache nicht schlecht getroffen.84 Das Traditionsbewusstsein, das Plinius bei alldem erkennen lässt, ist wohl nicht bloss Ideologie. Der Brief legt meines Erachtens Zeugnis ab von einem echten Bemühen, das Entscheidungsproblem mit dem überkommenen Abstimmungsverfahren des Senats in Einklang zu bringen. Eine grundstürzende Reform dieses Verfahrens lag Plinius ebenso fern wie eine manipulative Verdrehung bestehenden Verfahrensrechts.

 

 

* Für hilfreiche Kritik des Manuskripts danke ich Jürgen von Ungern-Sternberg, Basel, und Thomas Finkenauer, Tübingen.
1 Jüngere Lit. zu diesem Brief: C. Whitton
Pliny, Epistles 8.14: Poetics, Politics and the Agricola" JRS 100 (2010) 118ff.         [ Links ]; J. Harries The Senatus Consultum Silanianum: Court Decisions and Judicial Severity in the Early Roman Empire" in: P. J. du Plessis (Hrsg.) New Frontiers Law and Society in the Roman World (Edinburgh, 2013) 51ff.         [ Links ], 63ff.; umf. Literaturübersicht zu den Plinius-Briefen bei E. Lefèvre Vom Römertum zum Ästhetizismus - Studien zu den Briefen des jüngeren Plinius (Berlin/New York, 2009) 13ff.
2 Zu Aristo s. G. Wesenberg sV
Aristo" RE-Suppl. VIII (1956) 857ff.; A. Mantello Idubbi di Aristone (Ancona, 1990); zum Verhältnis Plinius - Aristo s. (knapp) D. Liebs Hofjuristen der römischen Kaiser bis Justinian (München, 2010) 12;         [ Links ] H. Halfmann Die Catilii aus Apamea in Bithynien" in: H. Börm/N. Ehrhardt/J. Wiesehöfer (Hrsg.)Monumentum et Instrumentum Inscriptum - Beschriftete Objekte aus Kaiserzeit und Spätantike als historische Zeugnisse Festschrift für Peter Weiss zum 65. Geburtstag (Stuttgart, 2008) 127ff., 131.
3 Beginnend mit R. Farquharson Theory of Voting (New Haven, 1969) 57ff.; seither (Auswahl) W. H. Riker Liberalism against Populism - A Confrontation between the Theory of Democracy and the Theory of Social Choice (San Francisco, 1982) 173f.; J. Budzizewski
Persuading Caesar: a new interpretation of Farquharson's problem" Public Choice 51 (1986) 129ff.; L. Kern/J. Nida-Rümelin Logik kollektiver Entscheidungen (München/Wien, 1994) 69ff.
4 O. Fn. 1; ähnl. Harries (o. Fn. 1) 63:
letter is pivotal and designed, ... a literary exercise".
5 Zu Plinius' epistolae als Vertreter des genus epistolare s. J. Radicke
Der öffentliche Privatbrief als ,kommunizierte Kommunikation4 (Plin. Epit. 4, 28)" in: L. Castagna/E. Lefèvre (Hrsg.) Plinius der Jüngere und seine Zeit (München/Leipzig, 2003) 23ff.; É. Wolff Pline le Jeune ou le refus du pessimisme (Rennes, 2003) 83ff.
6 S. hierzu Whitton (o. Fn. 1) 122ff. u. öfter; Lefèvre (o. Fn. 1) 283; R.K. Gibson/R. Morello Reading the Letters of Pliny the Younger - An Introduction (Cambridge/New York, 2012) 133; R. Gazich
Retorica dell'esemplarita nelle lettere di Plinio" in: Castagna/Lefèvre (o. Fn. 5) 123ff., 129f.; E. Lefèvre Plinius' Klage um die verlorengegangene Würde des Senats", ebenfalls in dem von Castagna/ Lefèvre herausgegebenen Band (o. Fn. 5) 189ff., 191f.
7 S. A.N. Sherwin-White The Letters of Pliny - A Historical and Social Commentary (Oxford, 1966) 461.
8 Zur umstr. Datierung s. Harries (o. Fn. 1) 55f.; H. Bellen Politik - Recht - Gesellschaft - Studien zur Alten Geschichte (Stuttgart, 1997) 284 m.w.Nachw. Auf die Frage, ob und inwieweit in solchen Fällen Folter und Strafbarkeit bereits in republikanischer Zeit gesetzlich angeordnet oder gewohnheitsrechtlich anerkannt waren, braucht hier nicht eingegangen zu werden.
9 Literatur (Auswahl): Harries (o. Fn. 1) 51ff.; T. Finkenauer Die Rechtsetzung Mark Aurels zur Sklaverei (Mainz, 2010) 77ff.; D. Dalla Senatus consultum Silanianum (Mailand, 1980, rist. 1994); R. Gamauf
,Cum aliter nulla domus tuta esse possit ...': Fear of Slaves and Roman Law" in: A. Serghidou (Hrsg.) Fear of Slaves, Fear of Enslavement in the Ancient Mediterranean (Besant^on, 2007) 145ff., 148ff.; O. Robinson Slaves and the Criminal Law" ZRG Rom Abt 98 (1981) 213ff., 233ff.; A. Schiavone La storia spezzata - Roma antica e Occidente moderno (Rom, 2002) 118ff., mit Anm. 241ff.; J.G. Wolf Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr. (Heidelberg, 1988) 10ff.; G. Boulvert/M. Morabito Le droit de l'esclavage sous le Haut-Empire" ANRW II/14 (1982) 98ff., 109ff.; W. W. Buckland The Roman Law of Slavery - The Condition of the Slave in Private Law from Augustus to Justinian (Cambridge, 1908) 95ff.
10 So der Titel laut Index auctorum.
11 Spätere Juristen haben die Strafbarkeit der Sklaven davon abhängig gesehen, dass diese den Selbstmord hätten verhindern können: PS 3,5,4; D 29,5,1,22 Ulp 50 ed und dazu R. Mentxaka
A propósito de Ulp. 50 ad ed. D. 29, 5, 1, 22 y el suicidio del dominus" BIDR 2000/01, 23ff.; s. M. Frantzen Mors voluntaria in reatu - Die Selbsttötung im klassischen römischen Recht (Göttingen, 2012) 133ff.
12 Statt aller s. Harries (o. Fn. 1) 62; Wolf (o. Fn. 9) 11 Fn. 13.
13 Harries (o. Fn. 1) 65; Dalla (o. Fn. 9) 64, 66; Wolf (o. Fn. 9) 48; Boulvert/Morabito (o.Fn. 9)108 Fn. 39; Th. Mommsen Römisches Strafrecht (Leipzig, 1899) 417; nicht einmal die Verleihung desius anuli aurei schützte den Freigelassenen; D 29 5 10 11 Tryph 2 disp.
14 Weniger wahrscheinlich ist es, dass Trajan erst im Anschluss an das streitige Senatsverfahren eine Art media sententia erliess, die einen Einbezug der Freigelassenen in die Verhörregelung, nicht aber in die Strafbestimmung anordnete.
15 Harries (o. Fn. 1) 64 zweifelt, ob die Folter schon stattgefunden hatte oder nur eine Teiluntersuchung; hierfür spricht, dass Plinius die Todesursache noch als unklar ansieht.
16 Sherwin-White (o. Fn. 7) 461.
17 Zur Datierung des Briefes selbst s. Gibson/Morello (o. Fn. 6) 26 m.w.Nachw.
18 Zu ihm R.J.A. Talbert The Senate of Imperial Rome (Princeton, 1984) 460ff., 480ff.         [ Links ]; F. de Marini Avonzo La funzione giurisdizionale del senato romano (Mailand, 1957) 20ff. u. öfters; J. Bleicken Senatsgericht und Kaisergericht (Göttingen, 1962); s. schon Mommsen
Strafrecht" (o. Fn. 13) 251ff. F. Arcaria Senatus censuit - Attivitä giuridica ed attivitä del senato in etá imperiale (Mailand, 1992) behandelt die Gerichtstätigkeit des Senats auf dem Gebiet des Privatrechts.         [ Links ]
19 Talbert (o. Fn. 18) 471; Mommsen
Strafrecht" (o. Fn. 13) 254; F. Stini Plenum exiliis mare (Stuttgart, 2011) 50.         [ Links ]
20 Mommsen
Strafrecht" (o. Fn. 13) 254.
21 Talbert (o. Fn. 18) 279ff.; E.S. Staveley Greek and Roman Voting and Elections (London, 1982) 227ff.         [ Links ];E. Flaig Die Mehrheitsentscheidung - Entstehung und kulturelle Dynamik (Paderborn, 2013) 373ff.         [ Links ]; speziell zum konsularisch-senatorischen Strafverfahren auch A.H.M. Jones The Criminal Courts of the Roman Republic and Principate (Oxford, 1972) 110ff.         [ Links ]; leider ist Paladini in ihrer gründlichen Untersuchung dazu, was aus dem Werk des Plinius für das Senatsverfahren zu entnehmen ist, auf unseren Brief nur am Rande eingegangen, weil sich ihr Interesse auf Wahlvorgänge konzentriert; L. Paladini
Le votazioni de senato Romano nell'eta di Traiano" Athenaeum 37 (1959) 3ff., dazu die Rezension von P. Frezza Iura 11 (1960) 254ff. = Scritti II (2000) 297ff.
22 Für die Sklaven kamen nur die Todesstrafe oder Freispruch in Betracht; s. oben 2. zum SC Silanianum.
23 Talbert (o. Fn. 18) 282; M. Bonnefond-Coudry Le Sénat de la republiqueRomaine - de la guerre d'Hannibal á Auguste (Rom, 1989) 525ff.
24 Flaig (o. Fn. 21) 568 Anm. 89.
25 Relegatio: Verbannung unter Aufrechterhaltung des Bürgerrechts; s. Stini (o. Fn. 19) 36ff.; Sherwin-White (o. Fn. 7) 464; schon im Jahre 61 war in der Senatsverhandlung über die Anwendung des SC Silanianum nach dem Tod des L. Pedanius Secundus (dazu zuletzt Harries, o. Fn. 1, 60ff.; zuvor etwa Wolf, o. Fn. 9) eine Bestrafung der Freigelassenen in Form der deportatio(nach italia) beantragt worden; hier kennen wir sogar den auctor, Cingonius Varro; Tac. Ann. 14 45 2.
26 Anders Harries (o. Fn. 1) 66: Plinius
believed the freedman innocent".
27 Whitton (o. Fn. 1) 138.
28 Zu ihr s. Talbert (o. Fn. 18) 279f.
29 Flaig (o. Fn. 21) 381.
30 Flaig (o. Fn. 21) 382f.; ebenso Harries (o. Fn. 1) 63.
31 Wie hier Jones (o. Fn. 21) 111:
verdict and sentence . considered together".
32 Dazu unten 4.2.6.
33 Talbert (o. Fn. 18) 240ff.; Th. Mommsen Römisches Staatsrecht, Bd. III, Abt. 2 (Leipzig, 1888) 965ff.
34 A.R. Birley Onomasticon to the Younger Pliny-Letters and Panegyric (München/Leipzig, 2000) 16; zu diesem Amt s. W. Eck sV
Suffektconsul" in: H. Cancik/H. Schneider (Hrsg.) Der Neue Pauly, Bd. 11 (Stuttgart/Weimar, 2001) Sp. 1089f.
35 Bonnefond-Condry (o. Fn. 23) 549ff.
36 Unten 5.3.
37 Ganz allgemein bedeutet der Umstand, dass sich für eine sententia keine maior pars findet, ja nicht, dass das kontradiktorische Gegenteil als Senatsbeschluss feststünde.
38 Ohne Grundlage im Text Flaig (o. Fn. 21) 382: die Anhänger der Todesstrafe verteilten sich auf Verbannung/Freispruch.
39 Flaig (o. Fn. 21) 382: „Konsul knickte ein“.
40 Richtig Sherwin-White (o. Fn. 7) 466.
41 Zutr. Whitton (o. Fn. 1) 118f. mit Fn. 3; Harries (o. Fn. 1) 66; Dalla (o. Fn. 9) 66 Anm. 10; dass die liberti freigesprochen wurden, nehmen dagegen an Flaig (o. Fn. 21) 382, und vielleicht auch Sherwin-White (o. Fn. 7) 466:
Pliny gained the day".
42 Nach Harries (o. Fn. 1) wollte Plinius sich als besonders barmherzig darstellen, wozu er - Harries zufolge - wenig Anlass hatte.
43 R. Mayer
Pliny and Gloria Dicendi" Arethusa 36.2 (2003) 227ff., 232.
44 S. unten 5.2.
45 Für relatives Mehr Talbert (o. Fn. 18) 282; dagegen Flaig (o. Fn. 21) 568 Fn. 91.
46 Zutr. Flaig (o. Fn. 21) 568Fn. 91.
47 S. unten 4.2.5.
48 Die Feststellung einer relativen Mehrheit setzt fast zwingend eine Zählung voraus, die im Senat im Allgemeinen nicht vorgenommen wurde; Talbert (o. Fn. 18) 283.
49 Zu ihr s. Talbert (o. Fn. 18) 222ff.
50 S. unten 5.2.
51 S. oben 3.1.
52 So auch Sherwin-White (o.Fn.7) 465.
53 Oben 4.1.
54 H. Kasten (Hrsg.) C. Plini Caecili Secundi Epistularum Libri Decem, lat.-dt., (München, 1968) 686.
55 Oben 3.
56 Zur Beschlussfeststellung im Senat s. Mommsen
Staatsrecht III/2" (o. Fn. 33) 994.
57 Mommsen
Staatsrecht III/2" (o. Fn. 33) 991 Anm. 5 a.E.
58 C. Bardt Römische Charakterköpfe in Briefen vornehmlich aus caesarischer und traianischer Zeit (Leipzig/Berlin, 1913) 347.         [ Links ]
59 Talbert (o. Fn. 18) 282.
60 Sherwin-White (o. Fn. 7) 461.
61 Kasten (o. Fn. 54) 686.
62 Flaig (o. Fn. 21) 382f.
63 Riker (o. Fn. 3) 175.
64 Harries (o. Fn. 1) 63.
65 Sherwin-White (o. Fn. 7) 465; ähnl. Flaig (o. Fn. 21) 383, demzufolge Plinius
Trennlinien verwischte" und damit durchkam".
66 Whitton (o. Fn. 1).
67 Einzelheiten wird eine Untersuchung zu
maior pars" bringen, die 2015 erscheinen soll.
68 Declamationes (minores) 365; dazu J. Dingel Scholastica Materia - Untersuchungen zu den Declamationes minores und der Institutio Oratoria Quintilians (Berlin/New York, 1988) 97; T. Wycisk Quidquid in foro fieri potest - Studien zum römischen Recht bei Quintilian (Berlin, 2008) 348f.; zur Institutio oratoria in ihrem Verhältnis zu Rechtsfragen s. die Beiträge in O. Tellegen-Couperus (Hrsg.) Quintilian and the Law. The Art of Persuasion in Law and Politics (Leuven, 2003).
69 Noctes Atticae 9,15.
70 D 4,8,27,3 i.f. Ulp 13 ad ed; D 42,1,38,1 Paul 17 ad ed.
71 Zum Verhältnis Plinius4 zu Quintilian s. P Vincenzo Cova
Plinio el Giovane contro Quintiliano" in: Castagna/Lefèvre (o. Fn. 5) 83ff.
72 Wycisk (o. Fn. 68) 348.
73 Mommsen
Strafrecht" (o. Fn. 13) 127, aufgrund von Cael., Epist ad fam 84 (VIII 8) 3.
74 Völlig missverstanden ist der historische Vorgang bei Kern/Nida-Rümelin (o. Fn. 3) 69ff.
75 Ausser Tac. Ann. 14,49 s. z.B. Plin. Epist. 5,13,4-8.
76 Mommsen
Staatsrecht III/2" (o. Fn. 33) 994; Bonnefond-Condry(o.Fn.23) 553.
77 Schon insofern sind die Entscheidungsbäume (
Pfade"),die seitens der public choice-Forschung für diesen Fall aufgestellt wurden (z.B. Farquharson (o. Fn. 3) 10ff.), historisch unzutreffend, weil die Feststellung der Anhängerschaft für eine bestimmte sententia noch gar keine Entscheidung des Senats ist.
78 Oben 4.2.6.
79 O. Fn. 75.
80 Man denkt an eine fraus legis, doch fällt dieses Stichwort im Brief nicht.
81 Zu Condorcet s. (Auswahl): A. Kölz
Fortschritt, unideologisch: Von der Aktualität Condorcets (1743-1794)" in: ders. (Hrsg.) Der Weg der Schweiz zum modernen Bundesstaat -1789, 1798,1848,1998 Historische Abhandlungen (Chur/Zürich, 1998) 161ff.; D. Williams Condorcet and Modernity (Cambridge, 2004).         [ Links ]
82 Zu dem sog. Arrow-Theorem aus juristischerSicht s. M. Auer
Willkürrechtlicher Entscheidungsverfahren? Die Auswirkungen von Arrows General Possibility Theorem" auf Wahl-und Abstimmungsverfahren des geltenden Rechts" ARSP (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie) 88 (2002) 1ff.
83 Oben 3.4.
84 Ähnl. Whitton (o. Fn. 1) 119 Fn. 3:
Rhetorical capitalout of a disappointing outcome".

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