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Old Testament Essays

versão On-line ISSN 2312-3621
versão impressa ISSN 1010-9919

Old testam. essays vol.29 no.1 Pretoria  2016

 

BOOK REVIEWS BOEKRESENSIES

 

 

Wilke, Alexa F. 2014. Die Gebete der Propheten. Anrufungen Gottes im ,corpus propheticum' der Hebräischen Bibel (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 451). Berlin, Boston, Mass.: De Gruyter. 461 Seiten. Leinen. Preise 121.45. ISBN 978-3-11-031207-2 (hardback) / 978-311-031218-8 (e-book).

Mit der vorliegenden Studie ist die Verfasserin an der Universität Göttingen 2012 habilitiert worden. Für die Veröffentlichung wurde die Arbeit geringfügig überarbeitet. Sie widmet sich in dem Thema der Gebete in den Prophetenbüchern in zwei Hauptteilen: Gebete von Sündern" (36-229) und Gebete von Gerechten" (230-402). Gerahmt werden diese durch eine Einleitung und eine Zusammenfassung. Beigegeben sind Literaturverzeichnis und drei Register (Bibelstellen, Stichworte, hebräische Begriffe).

Die Ausführungen setzen ein mit der Klärung dreier Fragen: 1. Was ist ein Gebet? Öfters sind Gebete nicht explizit markiert. Berücksichtigt werden ausschließlich Texte, die erkennbar ein göttliches Gegenüber ansprechen" (2). Vfn. bezieht freilich neben den Du"-Reden auch mit ihnen verbundene Er"-Reden über Gott und Schilderungen ein. Hymnische Texte bleiben dagegen unberücksichtigt. Der Fokus liegt auf den literarisch in die Prophetenbücher eingebundenen Gebete und dabei insbesondere auf dem Wechsel zwischen Verkündigung und Gebet. 2. Wer betet? Die Gebetsworte gehen nicht auf die Propheten selbst zurück, sondern sind Spätlinge im Prozess der jeweiligen Buchwerdung (Redaktionstexte). In ihnen kristallisieren sich Theologie, Frömmigkeitsgeschichte, Selbstwahrnehmung und Gottesbilder in einer Zeit, in der die heiligen Schriften des antiken Judentums im Vollzug an Gestalt gewannen" (8). Von ihrer Art her erweisen sie sich als schriftgelehrte Arbeit." Entsprechend nehmen sie öfters zitatartig andere biblische Aussagen auf. Thema aller Gebete ist - in der einen oder andern Weise - das Gericht. Dabei werden Gebete von Sündern und Gebete über Sünder = Gebete von Gerechten als Hauptkategorien unterschieden. Diese werden nicht historisch greifbaren Gruppen zugewiesen, vielmehr sind literarische und thematische Gegebenheiten im Blick. 3. Wie wird gebetet? Die Frage wird anhand der diesbezüglich umfangreichsten Prophetenbücher Jer und Jes beantwortet. Ausgangspunkt bei Jer sind die ältesten, kurzen Klagen, die sich in Jer 1-10 finden (Klagegrundschicht). Es handelt sich bei ihnen von der Form her nicht um klagende Ansprachen an Gott, also nicht im engeren Sinn um Gebete. Die Konfessionen" als wichtigste Gruppe nehmen die Klagegrundschicht auf und schreiben sie weiter, nun explizit in Gebetsform und mit starker, innerer Beteiligung. Eine besondere Thematik bildet dabei die Fürbitte. Die Gebete in Jes kreisen um die Wende der Situation. Die Hymnen in DtJes bereiten ein Prinzip vor, dass in einigen Gebetsstücken mit ihrer Antizipierung des Jubels der Befreiung ausgeführt wird. Oft sind Gebete am Ende von Abschnitten platziert (Jes 12; 38; 59; 63f.). Besonders Jes 1-39 sind von Gebeten und kurzen Gebetsrufen durchzogen, die aus unterschiedlichen Stadien der Buchgenese stammen.

Im ersten Hauptteil, Gebete von Sündern," werden die Gebetstexte in den atl. Prophetenbüchern (unter Einschluss von Dan) unter drei Stichworten sortiert: Unter Umkehr" werden Hos 14,2-4; Mi 7,14-20 und Dan 9,3-19 erörtert. Die Rubrik Enttäuschung" umfasst Jer 14,7-9.19-22 und Jes 63,7-64,11. Unter der Überschrift Restitution" werden schliesslich die Gebetstexte Jes 38,9-21; Jon 2 und Jes 12 analysiert. Auch der zweite Hauptteil, die Gebete von Gerechten," ist dreigeteilt: Unter dem Stichwort Erwartung" wird (lediglich) Jes 26,7-12 angeführt. Ungleich umfangreicher ist das Kapitel Verzögerung." Hier findet sich eine eingehende Behandlung der Konfessionen Jeremias (Jer 11,18-12,6; 15,10-21; 17,12-18; 18,18-23; 20,7-18) und von Hab 1. Das letzte Stichwort lautet Lösung," worunter die Gebete in Hab 3 sowie Jes 25,1-5; 26,1-6 erörtert werden. Die Behandlung der Texte in den beiden Hauptteilen folgt in der Regel folgendem Muster: 1. Kurze Hinführung und Übersetzung; 2. Erwägungen zur Textfassung (Textkritik) und zur Struktur; 3. Unter Wachstum" werden literar- und redaktionskritische Überlegungen und die Konturen der Fortschreibung dargeboten; 4. Recht ausführlich wird die Einordnung im Buchkontext und damit eine theologische Profilierung vorgenommen; 5. Zum Schluss wird das Wichtigste rekapituliert. Für die umfangreichen Erörterungen und vielschichtigen Einordnungen der Texte im Einzelnen muss auf die Monographie selbst verwiesen werden.

Das Schlusskapitel ist unter die Aussage gestellt: Die allmähliche Verfertigung des Gedankens beim Beten." Es bietet den Ertrag unter fünf Aspekten: 1. Zeitkonstellationen, mit den gegenläufigen Blickrichtungen der Erinnerung und der Antizipation. Die Gebete sind Teil eines Diskurses und auf eine Fortsetzung vonseiten Gottes angelegt; 2. Raumkonstellationen, mit den wesentlichen Komponenten der Nähe (Tempel) und Ferne Jhwhs sowie der Schrift (die Rede ist von einem Tempel," der sich in der Schrift realisiert);

3. Situationen des Leides, die sich auf von Jhwh veranlasstes Gericht beziehen und unter den Stichworten Schuld, Umkehr und Vergebung bedacht werden;

4. Protagonisten, die in den Texten neben Gott erscheinen und sprechen oder angesprochen werden: Beter, Feinde, Volk. Gemeinsamer Hintergrund der Prophetengebete" bilden deuteronomistische Erklärungsmuster; sie unterscheiden sich aber in ihrer Perspektive auf das Gericht. Literarisch gewordenes Beten lädt Leser und Hörer ein, sich mit den impliziten Betern zu identifizieren" (413); 5. Die Ansprechbarkeit Gottes" und damit die Fragen nach der Wirkung und der Möglichkeit, Gott im/mit Gebet zu bewegen." In der Verbindung von Gottesansprache (Gebet) und kritischer Reflexion (Theologie) sowie in der ermöglichten Öffnung der jeweiligen Situation liegt nach Wilke das Proprium dieser Gebetsworte in den Prophetenbüchern. Sie laden die Hörer/Leser ein zur Identifizierung, nämlich die Gebete und ihre Inhalte vor Gott zu ihren eigenen zu machen.

Die monographische Untersuchung der Gebete innerhalb der Schriftpropheten nimmt eine wesentliche, bisher nicht hinreichend beachtete Fragestellung auf. Anregend für den Rezensenten erwiesen sich namentlich die Ausführungen zu Jes 38 (Hiskia-Gebet) und den Konfessionen Jeremias. Die wiss. Qualifikationsarbeit von Wilke bietet eine umsichtige und gründliche Behandlung der ausgewählten Gebetstexte im Diskurs mit der Forschung. Es gelingt Vfn. deren Vielfalt und theologisches Profil nachzuzeichnen. Insbesondere das Ringen um die Präsenz Jhwhs wird eindrücklich erhoben. In Gottinger Tradition arbeitet sie vornehmlich redaktionsgeschichtlich und versteht die Texte als literarische Produkte, entstanden in unterschiedlichen Verschriftungsprozessen. Als Spätlinge innerhalb der Buchgestalt gehen sie weder auf liturgische Settings noch auf die den Büchern den Namen gebenden Prophetengestalten zurück. Insofern ist der Titel Gebete der Propheten" - im engeren, eigentlichen Sinn verstanden - nicht zutreffend. Soweit ich sehe, hat Vfn. auf absolute Datierungen verzichtet; aufgrund ihrer Ausführungen wird man wohl an die persische oder gar die hellenistische Epoche zu denken haben.

Mangel an Klarheit und Methodik sind im Blick auf Definition, Umfang und Vorgehen zu konstatieren. Hinsichtlich der Einschätzung dessen, was ein Gebet" ist, wird eine (von der Vfn. teils selbst angesprochene) Problematik ansichtig, die Auswirkung auf Zahl und Umfang der Gebete hat. Wie erwähnt, bleiben Hymnen (und damit eine Reihe von Texten in Jes) mit ihrem Lobaufrufen als indirekte Sprechakte ausgeklammert. Weithin miterörtert werden dagegen die oft mit den Du"-Anreden Gottes verzahnten Er"-Reden von/über Gott. Streng genommen ist der erste von Wilke erörterte Beleg, Hos 14,2-4, kein vollzogenes Gebet, handelt es sich bei V. 3-4 doch vielmehr um einen Gebetsaufruf. Derartige in andere Sprechmodi eingelegte Reden (zweiten Grades) gibt es weitere, dazu Redewechsel zwischen Gott und dem Propheten. Umgekehrt ist auch im Blick auf Gottes(an)reden (Du"-Worte, oft mit invocatio Dei) die Behandlung nicht vollständig. Zu erwähnen sind kleinere Stücke wie etwa Jes 33,2-3/6; Am 7,2.5; Jon 4,2f., aber auch Jes 26,13-19. Insbesondere die Nichtbehandlung der letzten Stelle ist bedauerlich, da die vorangegangenen Verse, wenn auch - unglücklicherweise - in zwei verschiedenen Abschnitten erörtert werden (Jes 26,7-12 bzw. 26,1-6). Lediglich nebenbei und teils in Fussnoten erwähnt Wilke weitere Gebetstexte. Deren kaum begründete Auslassung" in der exegetischen Arbeit ist zu bedauern und hat Auswirkungen auf das gezeichnete und im Titel auch versprochene Gesamtbild. Ein weiterer Kritikpunkt bildet die Methodologie. In Wilkes vorwiegend redaktionsgeschichtlich operierenden Vorgehensweise werden die Gebets-Eintragungen und -Fortschreibungen zwar literarge schichtlich eingeordnet, aber nicht historisch festgemacht und bleiben daher diesbezüglich blass. Dies trägt nicht dazu bei, die Vielzahl an Textstufen zu plausibilisieren. Wenn das sprechende Ich" im Buchkontext als das des Propheten ausgewiesen wird, ist diese Leserlenkung im Rahmen des synchronen Erfassens und Verstehens des Prophetenbuches zudem ernstzunehmen, auch wenn man dies historisch anders sieht (eine Einsicht, die sich in der Psalterforschung mit Blick auf die Präskriptangaben durchsetzt). Zwar werden die Gebete jeweils diachron im Buch verordnet, aber kaum in ihrer Sequenz innerhalb der Buchstruktur gewürdigt. So ware in Jes nicht nur die diachrone Abfolge der Gebete zu erheben - nach Wilke: Jes 38 => Jes 12 => Jes 63f. -, sondern auch deren synchrone Anordnung im Buch zu würdigen. Vfn. „überspringt" diese Sichtweise und changiert dafür - nicht unproblematisch, weil recht unvermittelt! - zwischen einer redaktionskritischen sowie einer textpragmatischen bzw. rezeptionsästhetischen Perspektive. Dass die Gebete im Blick auf Hörer und Leser Identifikationsmöglichkeiten eröffnen und zum Mitvollzug einladen, ist damit freilich nicht bestritten.

Trotz der genannten Einwände liegt eine insgesamt anregende Studie zu einem wichtigen Thema vor, zu dessen künftiger Beachtung Vfn. wesentlich beigetragen hat, wofür ihr zu danken ist.

 

 

Beat Weber, Lecturer in Old Testament at Theologisches Seminar Bienenberg (Liestal), Switzerland & Research Associate of the Department of Ancient Languages, University of Pretoria, South Africa. E-mail: weberlehnherr@sunrise.ch .

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