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HTS Theological Studies

On-line version ISSN 2072-8050
Print version ISSN 0259-9422

Herv. teol. stud. vol.76 n.1 Pretoria  2020

http://dx.doi.org/10.4102/hts.v76i1.6179 

ORIGINAL RESEARCH

 

Quarantäne, Einsamkeit und Psalmen

 

Quarantine, loneliness and psalms

 

 

Till M. Steiner

Department of Old Testament and Hebrew Scriptures, Faculty of Theology and Religion, University of Pretoria, Pretoria, South Africa

Correspondence

 

 


ABSTRACT

In times of a pandemic, quarantine and physical distance are acts of charity. Leviticus 13-14 show that even in biblical times such measures served to protect the community. But they also lead to the danger of loneliness or even depression. Physical distance must not become social distance. For believers, the Psalms can be a way of bringing the distress before the punishing and healing God. They are a proven way out of the lament to rejoice in the relationship with God. But this change of mood is not an automatism, but a prayer process in the hope of God.
CONTRIBUTION: A theological perspective on Covid-19 is given by bringing the current experiences of quarantine and loneliness in times of pandemic into dialogue with biblical texts

Keywords: Psalms; Leviticus; Quarantine; Loneliness; Changing of mood; Ritual, Depression; impurity.


 

 

Alttestamentliche Beobachtungen in Zeiten der Pandemie

Es gibt keine Grenzen und keine Unterschiede zwischen Völkern - zumindest nicht für einen Krankheitserreger in Zeiten einer Pandemie. In solchen Zeiten ist eine klare Grenzziehung durch Menschen ein Akt der Sorge um den Nächsten und die Gesellschaft. Soziale Distanzierung, Quarantäne und Ausgangssperren zertrennen eine Gesellschaft zu deren Wohl. Die zwischenmenschliche Distanz wird zum Erkennungszeichen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Dies wirkt radikal und surreal, doch diese Maßnahmen haben sich seit biblischen Zeiten bewährt. Die Kehrseite dieser Beschränkungen ist jedoch die Gefahr der Vereinzelung und Vereinsamung bis hin zur Depression der Menschen. Die Psalmen bieten dagegen Vertrauen auf den strafenden und heilenden Gott und aus ihnen ist eine Glaubenslehre für das Verhalten während einer Pandemie zu ziehen.

Quarantäne

Gemeinschaft ist kein Heilmittel im Falle einer ansteckenden Krankheit. Schon das Buch Levitikus spricht da eine deutliche Sprache betreffs eines Infizierten: 'Alle Tage, an denen das Anzeichen an ihm ist, sei er unrein. Unrein ist er. Allein wohne er, außerhalb des Lagers sei sein Wohnsitz' (Lev 13:46). Zum Schutz der Gemeinschaft muss der Einzelne isoliert werden. Radikal wird gar gefordert, dass er seine Mitmenschen selbst vor sich warnt. 'Unrein! Unrein!' soll er ausrufen und so in seiner Abgeschiedenheit die Distanz aufrechterhalten (V. 35).

Die in Levitikus 13-14 behandelte Krankheit wird als צרעת bezeichnet. Aus den biblischen Texten ist es nicht möglich, sie mit einer heute bekannten, spezifischen Krankheit zu identifizieren - auch nicht mit Lepra. Es ist eine 'repulsive scaly skin disease' (Hulse 1975:103; siehe Lev 13:3). Der Hinweis, dass die Krankheit auch auf Kleidungsstücken zu finden ist, könnte auf einen Schimmelpilz hinweisen. Es handelt sich um eine hochansteckende Krankheit, die nicht aktiv geheilt werden kann. Jedenfalls nennen Levitikus 13-14 keine menschliche Therapiemaßnahme, sondern der Erkrankte muss in der Isolation abwarten, ob eine Heilung eintritt. Die Entscheidung über diese Quarantänemaßnahme oblag dem Priester. Er soll das Anzeichen auf der Haut untersuchen und darüber entscheiden, ob die Person 'unrein' oder 'rein' ist (Lev 13:3). Diese Entscheidung ist im eigentlichen Sinn keine medizinische Diagnose, sondern eine Beurteilung, ob eine Person oder auch ein Gegenstand am Kult beteiligt sein darf. Im näheren Kontext werden bestimmte Tiere, Aas, die Geburt eines Kindes und Ausflüsse aus den Genitalien als Quellen für Unreinheit benannt (siehe auch Num 5:2). In Levitikus 11-15 wird zudem deutlich, dass diese Unreinheit sich durch Berührung ausbreiten kann (siehe auch Num 19:22) und dies muss durch Absonderung und Waschung unterbunden werden. Denn diese 'physical impurity' (Nihan 2003:321) kann bei einer Begegnung mit dem lebendigen Gott im Kult gefährlich werden (siehe Eilberg-Schwartz 1990:185). Eine Sünde im Sinne einer moralischen Trennung von Gott und im Sinne einer sittlichen Verantwortung entsteht erst dann, wenn die 'unreine' Person, die geforderten Maßnahmen bewusst und mit Absicht unterlässt (siehe Num 19:13). Die Entscheidung, ob jemand nach der Erkrankung an צרעת wieder 'rein' ist, obliegt wieder alleine dem Priester. Nach einer siebentätigen Absonderung soll er ihn untersuchen. Wenn er mit seinen eigenen Augen feststellt, dass das Anzeichen gleichgeblieben ist und sich auf der Haut nicht ausgebreitet hat, soll er ihn noch einmal für sieben Tage absondern und ihn am siebten Tag abermals untersuchen. Wenn er dann feststellt, dass das Anzeichen nachgelassen und sich auf der Haut nicht ausgebreitet hat, soll ihn der Priester für 'rein' erklären. Der Kranke soll seine Kleider waschen, dann ist er rein (Lev 13:4-6). Die vom Priester verordnete Quarantäne dient dem Schutz der Gesellschaft und des Kultes - und sie führt in die Vereinsamung.

Pandemie als Strafe

In Levitikus 11-15 und im Besonderen im Falle von צרעת liegt der 'Unreinheit' keine Sünde zugrunde (siehe dazu ausführlich Baden & Moss 2011:643-662). Anders als im priesterlichen Gesetz, das diese Krankheit einfach als ein 'natural phenomenon' beschreibt, wird in mehreren Erzählungen des Alten Testament Gott als strafender Verursacher der צרעת benannt (Num 12:2; 2 Sam 329; 2 Kön 15:5 and 2 Chr 26:20). Es gehört zum alttestamentlichen Gottesbild, dass der Gott des Lebens und des Todes (siehe Deut 32:49) auch der Herr über die Krankheiten ist. Im Buch Exodus sagt Gott über sich selbst nicht nur 'ich bin JHWH, dein Arzt', sondern er leitet diese Worte an sein Volk Israel mit einer deutlichen Mahnung ein (Ex 15):

Wenn du auf die Stimme JHWHs, deines Gottes, hörst und tust, was in seinen Augen recht ist, wenn du auf seine Gebote hörst und alle seine Satzungen hältst, dann werde ich all die Krankheiten, die ich nach Ägypten gebracht habe, nicht über dich bringen. (v. 26)

In dem im Alten Testament entstehenden Monotheismus konnte sich der theologische Gedanke entwickeln, dass der eine Gott auch verantwortlich für die Krankheiten und die Erkrankung ist. Die Problematik eines solchen Gottesbildes im Angesicht des unbegründeten Leids tritt zum Beispiel deutlich hervor in der Klage des gerechten Ijob gegen das Gottesbild eines grausamen, Krankheiten verursachenden Gott (siehe Ijob 9:16-18). Krankheitserreger aber kennen keinen Gott; sie kennen nicht einmal Unterschiede zwischen Arm und Reich, Sünder oder Heiligen. Wenn man also nicht dem unaufgeklärten Fatalismus des sogenannten Tun-Ergehen-Zusammenhangs folgt und nicht in ein Muster verfallen will, das eine Epidemie als eine Gottes Strafe erklärt, sondern der Epidemiologie seinen Glauben schenkt - sind dann gesundes Gottvertrauen und ein Stoßgebet nicht absurd? Wer glaubt heute schon noch der Zusage des biblischen Weisheitslehrers Jesus Ben Sirach (Sir 38)?

Kind, in deiner Krankheit sei nicht unachtsam, sondern bete zum Herrn und er selbst wird dich heilen! Beseitige einen Fehler und bereite die Hände! Reinige das Herz von allen Sünden! (vv. 9-10)

Wer jedoch einen langen Atem hat und auch gewillt ist, mehr als nur einzelne Bibelverse zu lesen, lernt bereits bei eben diesem Weisheitslehrer, was ein gesundes, 'aufgeklärtes' Gottvertrauen ist, denn er mahnt: 'Gib dem Arzt seinen Platz, denn auch ihn hat der Herr erschaffen! Er bleibe dir nicht fern, denn er ist notwendig!' (Sir 38:12).

Mit den Psalmen in der Pandemie

In der biblischen Zeit grundgelegt und bis heute Teil der Gebetspraxis ist die enge Verbindung von Sünde und Krankheit: 'JHWH, sei mir gnädig! Heile mich doch, denn an dir habe ich gesündigt' (Ps 41:5). Die Hoffnung des Beters auf Heilung richtet sich auf die Vorstellung Gottes als Arzt (siehe Ps 6:3; 30:3; 60:4; 107:20; 147:3) und zugleich ist er sich bewusst um seine Schuld als Ursache der Krankheit. In vielen Psalmen findet der Glaube Ausdruck, dass der Mensch das Urteil Gottes gegen ihn am Leib erfährt - dass seine Sünden ihm in die Schmerzen eingeschrieben sind: 'Nichts blieb gesund an meinem Fleisch, weil du mir grollst; weil ich gesündigt, blieb an meinen Gliedern nichts heil' (Ps 38:4; siehe auch Ps 32:2-3). Heilung, ja, Glückseligkeit verheißt scheinbar nur das Sündenbekenntnis. Dies ist kein Urteil Dritter! Kein Freund, kein Feind und kein Seelsorger thematisiert in den Psalmen die Verbindung zwischen einer Krankheit und dem Zorn Gottes. Wenn es eine psychosomatische Verbindung geben sollte, so wird sie zumindest in den Psalmen im Gespräch des Kranken mit Gott thematisiert - nicht von anderen. Diese Dimension einer Krankheit ist persönlich - kein Dritter kann sie einsehen (siehe Hinz 1995:21-35). Doch in den meisten Fällen ist eine Krankheit vollends unpersönlich - wie eine eiskalte Sense, die durch die Menschheit mäht. 'Womit habe ich das verdient?' - diese Frage bleibt unbeantwortet. Die Frage 'Warum?' ist größer als das Leben, in dem einem nur das Rufen, Warten und Schreien nach einer Antwort Gottes bleibt, während man auf die moderne Medizin hofft.

Klaus Seybold (1973:165-166) hat in seinem Kriterienkatalog für die Bestimmung von alttestamentlichen Krankheitstexten darauf hingewiesen, dass in den Psalmen auch die sozialen Implikationen wie die oben besprochene kultische Unreinheit und auch Ächtung, Anfeindung, Vereinsamung et cetera eine bedeutende Rolle spielen. Der Beter beklagt auch die Zerstörung seiner Lebenswelt (siehe zum Beispiel Ps 41:5-11; 102:7-8) und die zur Sprache gebrachten Bilder verschwimmen, so dass man oft nicht entscheiden kann, 'ob der Leidende krank, bedrückt, gefangen, bedrängt, bedroht ist' (Seybold 1991:133). Bernd Janowski (2019:182) weist in diesem Kontext darauf hin, dass der Blick in den Psalmen auf die Krankheit nie Teil einer medizinischen Diagnostik und Therapeutik ist, sondern ein Aspekt der religiösen Daseinsbewältigung.

Die Psalmen bieten seit Jahrhunderten Betenden Worte, um durch Klage, Bitte und Hilfeschreie ihre je eigene Not ausdrücken zu können und sich so Luft zu verschaffen - das gilt auch in Zeiten einer Pandemie, sowohl für Erkrankte als auch Gesunde. Athanasius von Alexandrien (1875:n.p.) hob als besondere Eigenschaft des Psalters hervor, 'dass die Psalmen auf den, der sie singt, wie ein Spiegel wirken; er kann sich selbst und die Regungen seiner Seele in ihnen betrachten und sie in dieser Erkenntnis beten'. Besonders in der durch die Pandemie verursachten sozialen Vereinsamung können die Psalmen als 'ein poetisch-theologisches Anti-Depressivum' (Janowski 2016:139.) wirken. In ihnen ist Gott ein Gegenüber, das Raum und Beziehung schafft (siehe Jaschke 1989:31). Während einer Pandemie liegt der Fokus der Menschen oft hauptsächlich auf den medizinischen Gefahren und den wirtschaftlichen Folgen, doch die daraus zum Teil folgenden psychischen Krisen von der Einsamkeit bis zur Depression werden weniger beachtet. Ein Sprachangebot für vereinsamte und depressive Menschen in dieser Zeit ist zum Beispiel Psalm 38 (siehe ausführlich dazu Janowski 2016:95-143). Der Beter fühlt sich erstarrt, zerschlagen und vereinsamt (V. 9, 14). In Vers 7 stehen Worte mit denen sich ein depressiver Mensch identifizieren kann: 'Ich war gekrümmt/verstört, niedergebeugt gar sehr, den ganzen Tag ging ich verfinstert umher' (Ps 38:7). Während üblicherweise der zweite Teil des Verses als Trauerritus übersetzt wird, hat Bernd Janowski auf die eigentliche Grundbedeutung des Verbs 'schwarz werden, sie verfinstern' (siehe auch LXX) verwiesen (Janowski 2016; vgl. auch Ps 13:2-5):

[M]it dem 'Schwarz-/Finster-Werden' [kann] grundsätzlicher das Schwinden der Lebenskraft, also der psychosomatisch erlebte Einbruch der 'Finsternis' [] gemeint sein []. Was 'hell' ist, gehört nach altorientalischer wie biblischer Auffassung auf die Seite des Kosmos/des Lebens, und was 'dunkel' ist, auf die Seite des Chaos/des Todes. (p. 111)

Ob die depressive Person aus dieser Finsternis herauskommt und sie so wie der Beter als Vergangenheit beschreiben kann, hängt davon ab, ob ein Stimmungsumschwung sich ereignet und die betende Person, wenn sie gläubig ist, die letzten Worte des Psalms zu den eigenen machen kann: 'Eile mir zu Hilfe, JHWH, du mein Heil!' (Ps 38:23) - dazu bedarf es in den Worten Erich Fromms nicht weniger als ein 'einer Offenbarung vergleichbares Erlebnis' (Fromm 1980:169) - ein erster Schritt dahin kann es sein, dass die physische Distanz die zur Vereinsamung und Depression führen kann, im gemeinsamen Gebet der Psalmen überbrückt wird.

Der Stimmungsumschwung in den Psalmen, von der Klage in das Lob, wirkt in Zeiten der Not oft auch wie eine Lobvergiftung. Er ist kein Automatismus, sondern kann nur im Gebet vollzogen werden, wenn die Worte eigene Erfahrungen widerspiegeln; ansonsten sind die Psalmen nur leere Worthülsen.

Psalm 13 gilt seit Hermann Gunkel als 'Muster eines Klageliedes des Einzelnen' (Gunkel 1986:46), in dem der Beter zugleich klagend bittet und jubelnd dankt. Fast verbittert und zu Tode betrübt beginnt der Beter in Psalm 13 mit den Worten: 'Bis wann, JHWH, vergisst du mich auf Dauer?' (V. 2a). Hämmernd fragt der Beter am Anfang dieses Psalms insgesamt viermal danach, wie lange seine Not noch andauern wird. Aus der Klage heraus entwächst ihm die Bitte: 'Blick doch her, antworte mir, JHWH, mein Gott!' (V. 4a). Gott möge ihn in seiner Not erhören. Doch im Psalm folgt kein Gotteswort, kein göttlicher Zuspruch. Die Bitte bleibt unbeantwortet und die Klage bleibt relevant. Der Psalmentext ist nicht als eine lineare zeitliche Abfolge zu lesen, als ob der Beter zunächst klagt, dann bittet und schließlich lobt. Ein solches lineares Verständnis hat seit Joachim Begrich (1964:217-231) zu der These geführt, dass zwischen Bitte und Lob ein 'priesterliches Heilsorakel' an den Beter ergangen sei, das ihm göttlichen Beistand und Hilfe zusage und ihn entsprechend von der Bitte zum Lob fortschreiten lasse. In Psalm 13 und anderer in der Gattung 'Klagelied des Einzelnen' kategorisierten Psalmen gibt es keinen Beleg, dass innerhalb des Gebetsprozesses textextern ein Gottesspruch vermittelt durch einen Priester oder Kultpropheten ergangen ist (siehe u.a. Erbele-Küster 2001:161-177). In Psalm 13 stellt der Beter seinem Klagen und Bitten ein trotziges 'aber' entgegen: 'Aber ich - auf deine Güte habe ich vertraut, mein Herz juble über deine Rettung. Singen will ich JHWH, weil er an mir gehandelt hat' (V. 6). Er will sich aufschwingen zum Lobpreis. Er ermutigt sich selbst dazu, denn er vertraut darauf, dass sein Gott gleichbedeutend mit Güte und Hilfe ist. In seiner Not vertraut der Beter auf Gott - und das zeigt sich bereits am Anfang, da er zu seinem Gott spricht, ihn direkt anspricht. 'JHWH' (V. 2) wird für ihn im Gebetsprozess zu 'JHWH, mein Gott' (V. 4). In diesem Bekenntnis drückt sich bereits Vertrauen aus, wie es in Vers 6 verbalisiert wird. Die Bitte in Vers 4 ist als Vertrauensäußerung formuliert, weil der Beter schon vor allem konkreten Bitten zuversichtlich hoffen kann, dass JHWH tatsächlich zu seinen Gunsten eintreten wird - denn in eben dieser Zuversicht besteht ja sein Glaube, der ihn zu JHWH beten lässt (siehe Markschies 1991:386-387). Vertrauen (בטח + ב in V. 6) ist im Hebräischen des Alten Testaments kein Prozess, sondern ein Zustand. Man vertraut nicht 'auf' jemanden oder etwas, sondern 'aufgrund' (siehe Jenni 1992:104). So wird in Vers 6 der Grund für die vertrauensvolle, freudige Gestimmtheit angegeben. Am Ende des Psalms erinnert sich der Beter nun an die in der Vergangenheit erfahrene Güte Gottes, wie die Perfektform des Verbes בטח anzeigt. Dieser Blick lehrt ihn Erhörungsgewissheit, die durch einen Jussiv formuliert wird (zu den Verbformen in Psalm 13 siehe K. Schmid 2012:36). Der Psalm ist ein Gebetsprozess - sozusagen in zeitlich geraffter Form. Der Beter durchläuft drei Stadien: Not - Bitte - Gewissheit. Doch die gewonnene Erhörungsgewissheit hebt weder die Worte der Klage noch der Bitte auf. Der Beter steht sozusagen am Ende des Psalms in einem Zwischenzustand und wartet frohen Mutes mit einem Loblied auf den Lippen, aber noch inmitten des Leids, auf die kommende Antwort Gottes. Psalm 13 mag kurz sein, aber die dahinterstehende Realität kann doch ein langer Prozess sein. Und die sehnsüchtige Frage 'Wie lange noch?' - besonders in Zeiten einer Pandemie - führt nicht direkt zum Heil.

In Zeiten der Pandemie

In den Zeiten einer Pandemie sind Quarantäne und die physische Distanz Akte der Nächstenliebe. Levitikus 13-14 zeigt, dass solche Maßnahmen selbst in biblischen Zeiten dazu dienten, die Gemeinschaft zu schützen. Doch sie führen auch in die Gefahr der Einsamkeit oder gar der Depression. Aus der physischen Distanz darf keine soziale Distanz werden. Für gläubige Menschen können die Psalmen ein Sprachangebot sein, die Not vor den strafenden und heilenden Gott zu bringen. Sie sind ein erprobter Weg aus der Klage über die Not zum Jubel in der Gottesbeziehung. Doch dieser Stimmungsumschwung ist kein Automatismus, sondern ein Gebetsprozess in der Hoffnung auf Gott.

 

Bestätigungen

Konkurierende Interessen

Der Verfasser erklärt hiermit, daß er keinerlei finanzielle oder persönliche Bindung hat, die ihn zweckwidrig beim Schreiben dieses Artikels beeinflusste.

Autorenbeiträge

T.M.S. ist der alleinige Autor dieses Forschungsartikel.

Ethische Überlegungen

Dieser Artikel beachtete alle ethischen Maßstäbe für die Forschung ohne jegliche Berührung mit menschlichen Subjekten.

Finanzierung

Diese Forschung erhielt keine Subvention vom öffentlichen, kommerziellen oder gemeinnützigen Sektor.

Erklärung zur Datenverfügbarkeit

Die gemeinsame Nutzung von Daten gilt nicht für diesen Artikel, da in dieser Studie keine neuen Daten erstellt oder analysiert wurden.

Haftungsausschluss

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten und Meinungen sind die des Autoren und spiegeln nicht unbedingt die offizielle Meinung oder Position einer angegliederten Agentur wider.

 

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Correspondence:
Till M. Steiner
tms.steiner@gmx.net

Received: 01 June 2020
Accepted: 13 Aug. 2020
Published: 07 Oct. 2020

 

 

 Project Leader: A. Groenewald
 Project Number: 02428024

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